Kommentar:

Weniger als das Minimum

Was hat Hartz IV mit der Flutkatastrophe im indischen Ozean zu tun? Wenig, sollte man meinen, aber einige Politiker konnten nicht widerstehen, das Leid für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Der Bundeskanzler nutzte es zum Beispiel, um sich in der Neujahrsansprache um die Auseinandersetzung über sein Verarmungsprogramm „Hartz IV“ herumzudrücken. Es sei jetzt nicht die Zeit, sich über Details der deutschen Innenpolitik zu unterhalten, ließ er das Fernsehvolk wissen. Aber: „Unser Reformkurs wird auch im neuen Jahr entschieden fortgesetzt.“ Oder mit anderen Worten: Für die zahllosen Opfer in Asien ein paar salbungsvolle Worte, für die hiesigen Arbeitslosen die kalte Schulter.

Damit soll die dringend Notwendigkeit von Hilfe für die Flutopfer nicht in Abrede gestellt werden. Aber: Das von Schröder vorgeschlagene Schuldenmoratorium ist keine Großtat, sondern weniger als das Minimum. Die staatlichen Auslandsschulden Thailands zum Beispiel gehen einzig auf die Übernahme privater Schulden im Zuge der Asienkrise 1997/98 zurück. Damals hatten europäische Banken den auf massives Anraten der westlichen Regierungen liberalisierten thailändischen Kapitalmarkt mit günstigen Krediten überschwemmt und so zum Ausbruch der Krise nicht unwesentlich beigetragen.

Etwas anders gelagert, aber ähnlich eindeutig verhält es sich mit den indonesischen Schulden. Die wurden von einem über drei Jahrzehnte regierenden Militärregime gemacht, gegen das die Pinochets und Videlas Lateinamerikas die reinsten Waisenknaben waren. Doch deren Massenmorde hinderten insbesondere Deutsche Regierungen und Konzerne nicht daran, mit Indonesien glänzende Geschäfte zu machen. Selbst militärisches Material wurde reichlich geliefert, dass unter anderem in Aceh in Nordsumatra im Kampf gegen Aufständische eingesetzt wird. Richtig gelesen. Das ist die gleiche Provinz, in deren unmittelbarer Nachbarschaft der Meeresboden bebte und in der etliche Zehntausend Todesopfer zu beklagen sind. Obwohl reich an Bodenschätzen ist die Infrastruktur dieser Provinz derart marode, dass auch eine Woche nach der Katastrophe viele Dörfer noch immer auf Hilfe warteten. Dass die Menschen dort nicht auch noch die Kredite abtragen müssen, die unverantwortliche Banken und westliche Regierungen ihren Bedrängern gaben, ist das Mindeste. Also: Nicht Moratorium sondern Schuldenstreichen wäre angesagt.

          (wop)