Kommentar:

Schreibtischtäter

Was geht eigentlich in den Köpfen deutscher Politiker und Bürokraten vor sich? Man ist ja wirklich so manches gewohnt, aber was dieser Tage aus Nordfriesland zu hören ist, macht einfach sprachlos: Da wollen Ausländerbehörden tatsächlich ein Ehepaar mit seinem zweijährigen Kind nach Sri Lanka zurückschicken, mitten in das Inferno der Flutkatastrophe. Die Familie T. aus Niebüll erhielt die Aufforderung, sich am Dienstag (11. Januar) beim Landesamt für Ausländerangelegenheiten in Neumünster “zur Vorbereitung der Ausreise” zwei Tage später einzufinden. Bei Redaktionsschluss war unklar, ob es tatsächlich zur Abschiebung kommen würde – zu groß scheint der Skandal, als dass man es sich vorstellen könnte. Doch allein der Versuch, spricht Bände über die Herzlosigkeit des deutschen Asylsystems. Während die Nachrichten voller Bilder aus den Katastrophengebieten sind, fällt der Ausländerbehörde nichts anderes ein, als stur nach Schema F weiterzuarbeiten. Ganz so, als gebe es keinen Ermessenspielraum, keine Flüchtlings- und Menschenrechtskonventionen. Und aus dem Innenministerium heißt es bisher nur, es gäbe ja inländische Fluchtalternativen, nach dem Motto: Schließlich ist nicht ganz Sri Lanka überflutet.

Ob irgendjemand mal auf den Gedanken gekommen ist, dass die hohe Zahl deutscher Opfer der Flut auch damit zu tun hat, dass die Länder am indischen Ozean ihre Grenzen offen halten, dass sie anders als hiesige Behörden (und Medien) nicht jeden Fremden wie einen potenziellen Schwerverbrecher behandeln und dass sie selbst noch die Heerscharen deutscher und anderer europäischer Sextouristen mit Samthandschuhen anfassen?

(wop)