Kommentar

Stadt Kiel blamiert sich

Was hat  die Verantwortlichen der Stadt Kiel veranlasst, den Faschisten am 29.1. freiwillig die gesamte Innenstadt für ihre Demonstration auszuliefern – zwei Tage nach dem Gedenken an die Opfer und WiderstandskämpferInnen von Auschwitz? Und dem breiten gesellschaftlichen Bündnis, das sich dem Vermächtnis dieser Menschen in der Tat verpflichtet fühlt, den Zugang zu diesem Teil ihrer Stadt zu verweigern – unter Androhung massiver Polizeigewalt?
Diese politische Entscheidung ist skandalös. Und strohdumm. Grenzenlos blamabel für die schwarz-grüne politische Führung der Stadt. Blamiert hat sich auch die sozialdemokratische Opposition. Kein Wunder: Ihr Lieblingskind heißt Hartz IV. Damit geht der Aufschwung der faschistischen Demagogen zum großen Teil auf ein Konto, das sie im Bund gemeinsam mit den Grünen unterhält.

So soll sich der Protest der Ratsparteien – und einiger DGB-Angestellter! – auf eine Gedenkfeier in einer christlichen Kirche beschränken. Während – neben vielen anderen, nicht zuletzt vielen GewerkschafterInnen – alle türkischen Vereine zur antifaschistischen Demonstration aufrufen. Welche Zeichen wollen die Parteien wohl damit setzen?

Was ist die zur Schau gestellte Empörung über die Auftritte der Nazis im gegenwärtigen sächsischen Landtag wert, wenn zeitgleich dem bekennenden Nationalsozialisten Jörn Lemke die Anmeldung einer Demonstration in Kiel genehmigt wird? –
Heute, fünf Tage vor unserer großen antifaschistischen Demonstration, ist noch unklar, ob wir etwa vor dem Verwaltungsgericht an den skandalösen Zuständen etwas ändern können. Wir setzen vor allem darauf, dass allen Anfeindungen, Verleumdungen und Drohungen zum Trotz sehr viele Menschen am 29. Januar für die Verteidigung und den Ausbau demokratischer Errungenschaften, für Solidarität und gleiche Rechte für alle Menschen auf die Straße gehen: Für die Vernichtung des
Nazismus mit seinen Wurzeln.

Wer Faschisten demokratische Rechte zuspricht, ist selbst kein Demokrat.

Die große Beteiligung an den Treffen des Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus in Vorbereitung auf die Demonstration macht Mut. Der Zusammenhalt, der hier entstanden ist und sich am 29.1. zu bewähren hat, sollte fortbestehen. Er wird sich bewähren müssen auch in den sozialen Abwehrkämpfen, die vom Kampf um Demokratie und gegen faschistische Tendenzen nicht mehr zu trennen sind.

(Dietrich Lohse)