Landtagswahl:

Desillusionierung

So spannend ist eine Landtagswahl selten gewesen. Stundenlang wähnte sich die CDU als Siegerin, bis zum Boden reichten die Gesichter bei den Sozialdemokraten, und dann bei den letzten Wahlkreisen doch noch der Umschwung. 70 Stimmen bescherten der SPD einen dringend benötigten zusätzlichen Sitz im Landeshaus und damit Heide Simonis weitere fünf Jahre im Amt als Ministerpräsidentin.

Verschiedene Aspekte am Ergebnis sind erwähnenswert: Bis auf CDU und NPD haben alle Parteien Wählerstimmen eingebüßt (siehe Tabelle). Die Wahlbeteiligung sackte um 2,9 Prozentpunkte und lag bei nur noch 66,6 Prozent. Offensichtlich ist die Desillusionierung groß, und zwar insbesondere in den ärmeren Bezirken der Städte: Im Wahlkreis Kiel Ost war die Beteiligung mit 59 Prozent deutlich unterdurchschnittlich und die Abnahme mit -4,5 Prozentpunkten besonders hoch. Auch die Verluste der SPD waren in dieser von Arbeitslosigkeit und Zukunftsangst geprägten sozialdemokratischen Hochburg (immer noch 46,8 Prozent) mit -5,2 Prozentpunkten überdurchschnittlich. Die Gewinne der CDU waren hingegen mit 3,4 Prozent unterdurchschnittlich. Die PDS konnte übrigens von dieser Abkehr von den bürgerlichen Parteien nicht mehr profitieren. Wie überall im Land verlor sie auch auf dem Ostufer (-0,7 Prozentpunkte) und erhielt dort nur noch zwei Prozent. Zulegen konnte hingegen die NPD auf 2,8 Prozent (+1,6 Prozentpunkte). Könnte gut sein, dass die Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit demnächst von dieser Konstellation profitiert und schon bei den Landtagswahlen in NRW die Parteienlandschaft etwas durcheinander würfelt.

Ansonsten das übliche Muster: Die Wahlbeteiligung war auf dem Land deutlich höher. Hier, und zwar vor allem an der Westküste, holte die CDU ihren Zuwachs. Letzteres könnte nicht nur an der dortigen konservativen Struktur, sondern auch an einem speziellen Carstensen-Effekt gelegen haben, der auf Nordstrand wohnt.
Besonders schlecht hat landesweit die DKP mit nur 1289 Stimmen abgeschnitten. Beim letzten Mal war man nicht mit einer Landesliste sondern nur in einigen Wahlbezirken mit Direktkandidaten angetreten, insofern ist ein Vergleich nicht möglich.   (wop)

Alle wollen sie von Dänemark lernen (o.k.: Fast alle, nur die CDU hält sich lieber an Barschel.): „Die Dänen 'aktivieren' Arbeitslose seit über zehn Jahren – mit Erfolg“, heißt es beim DGB Nord. „Deutschland hingegen ist mit der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik über Hartz IV nicht nur spät dran, es könnte beim 'Fordern und Fördern' auch die Erfahrungen des nordischen Nachbarn weitaus besser nutzen“, verbreitet Alfons Grundheber-Pilgram, seines Zeichens Pressesprecher des Gewerkschaftsbundes in einer Erklärung.

Wir lernen:

1. „Fordern und Fördern“ ginge noch besser.

2. „Hartz IV“ muss nicht mehr weg, sondern verbessert werden.

3. Die dänischen Methoden des quasi-Arbeitszwangs insbesondere für junge Arbeitslose sind dem DGB-Menschen Vorbild. Ob sich da jemand für einen Job beim BDI empfehlen will?

Aber irgendwie hat man auch beim DGB-Nord mitbekommen, woher der Wind weht: „Der DGB Nord befürchtet, dass der massive Einsatz von 1-Euro-Jobs nicht auf den gemeinnützigen Bereich nach dem Prinzip der Zusätzlichkeit begrenzt bleibt, sondern in der Wirtschaft insgesamt Einzug hält. Aktuelle Forderungen deuteten darauf hin. 'Mit den 1-Euro-Jobs', so der DGB Nord-Vorsitzende Peter Deutschland heute, 'hält das Prinzip 'Geiz ist geil' Einzug in die Arbeitswelt. Dadurch besteht die Gefahr, dass sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze vernichtet werden und das Arbeitsrecht ausgehöhlt wird.'“ Wer hätte das gedacht, als seinerzeit DGB-Vertreter in der Hartz-Kommission zusahen, wie diese Ideen ausgebrütet wurden. Das war doch nun wirklich nicht voraussehbar.Doch Abhilfe naht: „In Mecklenburg-Vorpommern haben der DGB Bezirk Nord und die Vereinigung der Unternehmensverbände gemeinsam gefordert, flächendeckend Beiräte einzurichten, in denen die Wirtschafts- und Sozialpartner die Arbeit der Arbeitsgemeinschaften begleiten. Deutschland: 'Diese Forderung ist angesichts der öffentlichen Diskussion über die 1-Euro-Jobs dringender denn je. Wenn diese vor Ort nicht im Konsens, sondern ausdrücklich gegen Gewerkschaften und Unternehmensverbände durchgedrückt werden, wird das soziale Klima verschlechtert.'“ (Presseerklärung DGB Nord)

„Der SSW macht(e)“, am Donnerstag vor der Wahl, „in der Schulpolitik Druck und fordert bis August 2005 einen Plan für die Einführung der ungeteilten Schule. 'Es ist genug herumgeredet worden. Eine Landesregierung, die unsere Unterstützung haben will, muss gleich nach der Wahl Fakten schaffen', forderte die SSW-Spitzenkandidatin Anke Spoorendonk bei einem Besuch bei der dänischen Schule in Eckernförde.“ (SSW-Presseerklärung) Seit Sonntagabend kann sie Ernst machen. Wir sind sehr gespannt.

Auch hieran sollten wir uns in den nächsten Wochen erinnern: „Wir begrüßen die Aussage von Angelika Volquartz, dass sie den Eintritt in die Phase II (siehe Seite 1) der Vorbereitung für das Planfeststellungsverfahren als nicht sinnvoll erachtet. (...) Die Haltung von Bündnis 90/Die Grünen dazu ist eindeutig: Wir lehnen die Subventionierung des Flugverkehrs grundsätzlich ab. Dies gilt insbesondere für die Startbahnverlängerung des Kieler Flughafens, weil sie nicht wirtschaftlich und nicht finanzierbar ist. Damit ist klar: Jede Stimme für Bündnis 90/Die Grünen ist auch eine Stimme gegen den weiteren Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau.“ (Presseerklärung der Grünen)

(wop)