Interview mit dem SSW:

Das ist sehr lehrreich

Lars Harms gehörte bereits in der letzten Legislaturperiode für den SSW dem Landtag an. Am 20. Februar wurde er gemeinsam mit Anke Spoorendonk wiedergewählt. Obwohl der SSW eines seiner besten Wahlergebnisse seit 1950 erzielte, entfiel das dritte Mandat, dass die Vertretung der Friesen und Dänen 2000 erstmalig gewonnen hatte. Das nachfolgende Interview erschien zuerst in der jungen Welt. (wop)

LinX: Hessens CDU-Ministerpräsident Roland Koch meint, der SSW und die dänische Minderheit sei privilegiert. Finden Sie das auch?

Lars Harms (L.H.): Nein, bei weitem nicht. Wir kämpfen seit 50 Jahren um kulturelle und finanzielle Gleichstellung, sowohl der dänischen als auch der friesischen Minderheit. Erreicht haben wir sie noch nicht, auch wenn es in den letzten Jahren zum Teil große Fortschritte gegeben hat.

LinX: Wie empfinden Sie die Äußerungen aus der CDU, der SSW dürfe als Minderheitenpartei nicht über die Landesregierung mitbestimmen?

L.H.: Das ist für uns sehr lehrreich, denn solche Angriffe kommen auch von Mandatsträgern aus der Region, von Leuten, die es wirklich besser wissen müßten.

LinX: Fühlen sie sich an die „Grenzkampf“-Zeiten nach 1945 erinnert?

L.H.: Nein, das kann man nicht vergleichen, das war wesentlich schlimmer. Aber man kann sagen, dass es einen kleinen Rückschritt gegeben hat. Südschleswig gilt europaweit als Modell für Minderheitenrechte, aber nach den Vorfällen der letzten Woche, nach all den Schmähungen und Drohungen, fragt man sich überall in Europa, was da los ist. Uns rufen Menschen aus anderen europäischen Regionen, um uns den Rücken zu stärken.

LinX: Gibt es auch eine Zusammenarbeit mit den anderen Minderheiten in Deutschland?

L.H.: Friesen, Sinti und Roma, Sorben und Dänen haben einen gemeinsamen Minderheitenrat. Da gibt es eine recht gute Zusammenarbeit. In der Regel sind es die kulturellen Organisationen, aber wir sitzen als politische Vertretung der Friesen und Dänen mit am Tisch, um zu beraten, wie man die gemeinsamen Interessen vertreten kann.

LinX: Sie sind Friese. Wie ist bei den Friesen das Verhältnis zum SSW? Immerhin hat Nordfriesland auch eine relativ lange deutschnationale Tradition.

L.H.: Die friesische Minderheit ist gespalten. Zum einen gibt es einen überwiegend deutschsprachigen Teil, der sich nordfriesisch fühlt. Diese Menschen, zu denen auch einige Friesischsprecher gehören, sagen, Friesen sind Deutsche und haben nur eine regionale Identität. Zum anderen gibt es eine Gruppe, die fast ausschließlich aus Friesischsprechenden besteht und sagt, aufgrund von Geschichte, Kultur und Sprache sind die Friesen ein eigenes Volk. Diese Sichtweise hat sich in den letzten zehn Jahren zunehmend durchgesetzt. Die Friesen zählen heute zu den anerkannten nationalen Minderheiten. Im Prinzip ist das ganz ähnlich wie bei den Sorben: Ein Volk ohne eigenen Staat. Politisch wird diese Gruppe vom SSW vertreten, deswegen bin ich dort tätig.

LinX: Eine der sechs Kernforderung, die der SSW vor der Landtagswahl aufgestellt hat, bezieht sich auf die Minderheiten. Um was genau geht es?

L.H.: Vor allem im schulischen Bereich muss etwas für die Minderheiten getan werden. In Schleswig-Holstein wird für die Schüler der öffentlichen Schulen pro Kopf mehr Geld ausgegeben, als für Schüler der dänischen Schulen. Das Empfinden wir als Ungleichbehandlung.
Außerdem möchten wir, dass in den öffentlichen Schulen mehr Friesisch unterrichtet, und dass das besser rechtlich abgesichert wird. Bisher läuft der Unterricht ohne Lehrpläne, allein auf freiwilliger Basis in Arbeitsgruppen. Wir möchten, dass der Unterricht sowohl quantitativ als auch qualitativ verbessert wird.

LinX: Nun hat das Friesische zahlreiche Dialekte. Gibt es da überhaupt genügend qualifizierte Lehrkräfte?

L.H.: Haufenweise. Das ist nicht das Problem. An der Universität in Flensburg werden die Lehrer in den verschiedenen Dialekten ausgebildet und oft unterscheiden diese sich nur marginal. Aber wenn wir den Unterricht ausdehnen, müssen natürlich auch mehr Lehrer ausgebildet werden.

LinX: Auf Initiative des SSW hat der Landtag Friesisch in Nordfriesland und auf Helgoland zur offiziellen Sprache gemacht. Funktioniert das im Alltag?

L.H.: Natürlich. Zum Beispiel wurde schon vorher in einigen Gemeinderäten Friesisch gesprochen. Nur war man sich nicht sicher, wie viel geht, das heißt, inwiefern man Friesisch auch in schriftlicher Form als Behörde verwenden darf. Das Problem wollten wir mit dem Gesetz beseitigen. Bisher waren viele Initiativen für Zweisprachigkeit, vor allem in offiziellen Papieren, an dieser formellen Hürde gescheitert.