Ländliches

Bei Redaktionsschluss waren die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen (unter teilweisem Einschluss des SSW, der allerdings nur tolerieren will) noch im Gange. Am Tag zuvor (Samstag der 5.3.) hatte auf dem Rathausplatz eine gruselige Koalition aus Bauern- und Philologenverband sowie Unternehmerverband Westküste für eine große Koaltion demonstriert. Auch die Bürgerinitiative „Pro Eiderstedt“ war mit von der Partie. Sie kämpft seit drei Jahren gegen die vom Grünen-Umweltminister Klaus Müller vorgesehene Ausweisung der Halbinsel Eiderstedt als EU-Vogelschutzgebiet. Der Sprecher des schleswig-holsteinischen Philologen-Verbandes, Klaus-Dieter Heyden, warnte davor, die „gut funktionierende Schullandschaft im Norden zu zerschlagen.“ Fragt sich nur, für wen es gut funktioniert. Für die rund zehn Prozent, die ganz ohne Abschluss bleiben sicherlich nicht. Ebenso wenig für die Hauptschüler, die kaum noch eine Chance haben, eine Lehrstelle zu finden. Aber das ist dem Gymnasiallehrer offensichtlich Schnuppe.

Der weitere Zeitplan der Regierungsbildung sieht so aus: Am 11. März sollen die Verhandlungen abgeschlossen werden, am 15. entscheiden die Parteitage von Grünen, SPD und SSW über das Ergebnis und am 17. März stellt sich Heide Simonis im Landtag zur Wiederwahl. Dafür braucht sie die beiden SSW-Stimmen. Harry Peter Carstensen hat angekündigt, ebenfalls anzutreten, das heißt es könnte spannend werden.

Auch auf die Tolerierungsabsprache, die schriftlich fixiert werden soll, darf man gespannt sein. Der SSW hatte, nach dem sein kleiner Parteitag grünes Licht für die Verhandlungen gab, verkündet: „Rot-Grün kann nicht einfach weitermachen wie bisher. Wir werden nur ihre Politik unterstützen, wenn in einer Reihe von Bereichen  andere Akzente gesetzt werden. Der SSW hat vor der Wahl gesagt, dass wir das soziale Gewissen der Landespolitik sein wollen. Dieses Versprechen an unsere Wählerinnen und Wähler werden wir.“

Unterdessen wirbelt die Enttäuschung im konservativen Lager primitivste Gefühle auf. Über die nationalisitischen Ausfälle wurde im Leitartikel bereits eingehend berichtet. Die Tatsache, dass alle drei Verhandlungsparteien von Frauen geleitet werden ruft auch einige Frauenfeinde auf den Plan. Die Springer Postille Hamburger Abendblatt spricht von „Zickenalarm“ und „girls camp“, ungenannte Quellen aus CDU und FDP zitierend. Da mag der hiesige Chef-Kapitalist, Hans Heinrich Driftmann, Präsident der Unternehmensverbände Nord, nicht zurückstehen. Das Landeshaus werde zum „Drei-Mädel-Haushalt“ lässt er verlauten.
Olaf Schulze von der IG Bauen-Agrar-Umwelt hingegen, der auf SPD-Ticket neu in den Landtag eingezogen ist, spricht sich ausdrücklich für eine Zusammenarbeit mit dem SSW aus: „Der SSW macht eine gute Politik auch für die Arbeitnehmer in der Bauwirtschaft. Mit seiner Unterstützung für ein Landes-Tariftreuegesetz gäbe es eine gute Arbeitsgrundlage für die politische Zusammenarbeit in Kiel.“

Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist nach den neuesten Daten in Schleswig-Holstein um mehr als 18 Prozent gestiegen. Der DGB Nord-Vorsitzender Peter Deutschland meint dazu: „Wenn man diese Zahl in Beziehung setze zum Rückgang der echten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse, von dem Schleswig-Holstein im Bundesvergleich überproportional betroffen ist, dann laufen wir Gefahr, dass Langzeitarbeitslose künftig nicht mehr oder nur noch in seltenen Fällen in den Arbeitsmarkt integriert werden können und so dauerhaft ausgegrenzt werden.“

(wop)