Vollkommen überzogen
Offener Brief von vier betroffenen Jugendlichen im Alter von 14-19 Jahren
zu polizeilichen Repressionsmaßnahmen nach der Steinburg-Demo am
4. Dezember:
Haben Sie schon einmal die ARD-Sendung PANORAMA gesehen? Ja? Dann haben
Sie vielleicht auch die Sendung gesehen, in der Neonazis auf Demonstranten/innen
einprügelten. So geschehen in Steinburg am 4.12.04. Dort feierte die
NPD mit Gästen von den Kameradschaften den Beginn ihres Wahlkampfes
für Schleswig-Holstein.
Mit rund 60 anderen Antifaschisten/innen wollten auch wir friedlich
– aber laut – gegen die Nazis und ihre menschenverachtende Propaganda demonstrieren.
Bereits im Vorfeld des Landtagswahlkampfes haben sich alle demokratischen
Kräfte (z.B. Parteien, Gewerkschaften, Verbände, Organisationen
usw.) dafür ausgesprochen, dass den Nazis und ihrer Ideologie entgegengetreten
werden muss – überall!
Dass es in Steinburg zu einigen Steinwürfen kam, ist unserer Meinung nach für eine politische Auseinandersetzung das falsche Mittel, rechtfertigt aber sicher nicht die völlig überzogene polizeiliche Reaktion darauf. Schließlich griffen die Nazis nach ein paar Steinwürfen aus den Reihen der Demonstranten ebenfalls zu Steinen und Stühlen und griffen wahllos flüchtende Demonstranten/innen an und verprügelten diese. Eine von uns wurde dabei krankenhausreif geschlagen! Zu stoppen waren die Nazis nur durch Warnschüsse der Polizei. Einige Prügelszenen wurden von den Kameras der ARD gefilmt. Statt die Nazis festzuhalten, wurden die flüchtenden Demonstranten/innen von der Polizei eingekesselt, stundenlang festgehalten und dann auf verschiedene Polizeiwachen gebracht.
Auch wir wurden in Gewahrsam genommen, Kontakt zu Eltern und Rechtsanwälten/innen wurde uns verweigert. Seitdem sind wir und alle anderen Demonstranten/innen massiven Drucks seitens der Polizei ausgesetzt: pauschale polizeiliche Vorladungen wegen Sachbeschädigung und Landfriedensbruchs sowie die Aufforderung zur erkennungsdienstlichen Behandlung, d.h. Fingerabdrücke, Fotos usw. ohne dargelegte Beweislage. Unser Widerspruch dagegen wurde abgewiesen, mit der empörenden Anschuldigung "kriminelle Energien entfaltet" und "intensive Kontakte zur gewaltbereiten linksextremistischen Szene" zu haben. Diese Anschuldigungen sind völlig haltlos! Damit versucht die Polizei uns einzuschüchtern und gefügig zu machen.
Das ist ein Skandal, der an die Öffentlichkeit getragen werden muss!
Wir rufen hiermit alle demokratischen Kräfte auf, sich gegen
diese polizeiliche Willkür zu wehren, sich mit uns zu solidarisieren
und der polizeilichen Repression ein Ende zu setzen.