Die Todesmärsche im Dritten Reich und die Tragödie der Cap Arcona

Der Begriff Todesmärsche wurde von den Häftlingen der nationalsozialistischen Konzentrationslager geprägt und später von Historikern übernommen. Es handelte sich hierbei um erzwungene Märsche großer bewachter Gefangenenkolonnen unter menschenunwürdigen Bedingungen, in deren Verlauf die Gefangenen brutal misshandelt und viele ermordet wurden. Zu Todesmärschen kam es insbesondere in der Endphase des Kriegs, als die Konzentrationslager evakuiert wurden. Zehntausende Häftlinge mehrheitlich Juden wurden zu Märschen gezwungen, als 1942 und 1943 die Ghettos Osteuropas aufgelöst wurden. Die Bewohner kleiner Ghettos wurden in größere Ghettos oder an andere Sammelplätze gebracht - meistens letzte Stationen vor ihrer Deportation in die Vernichtungslager. Beim  Her- annahen der "Befreiungsarmeen" wurden die Häftlinge der KZs auf die Todesmärsche geschickt. Im Januar 1945 begann für viele Überlebenden der  Nazi- Konzentrationslager das letzte Kapitel ihrer Gefangenschaft: die Evakuierung ins Reich. Mehr als hunderttausend Häftlinge wurden kurz vor Ende des Krieges von SS-Wachmannschaften durch halb Europa getrieben: 66.000 aus Auschwitz, über 40.000 aus Stutthof, Ravensbrück und Buchenwald. Bei minus zwanzig Grad, teils zu Fuß, teils in Kohlewaggons und Viehtransportern der Reichsbahn ging es von Lager zu Lager. Nur wenige überlebten diese Todesmärsche, die noch bis in die ersten Maitage 1945 erfolgten. Annähernd eine Viertelmillion Gefangene der deutschen Konzentrationslager wurden auf den Todesmärschen von ihren deutschen Wachen oder von Hilfspolizisten ermordet oder starben auf andere Weise (Unterernährung und Krankheit) zwischen dem Sommer 1944 und Kriegsende.

Die Todesmärsche gingen von den KZ-Lagern auch in Richtung Ostsee, da die SS dort Schiffe bereitgestellt hatte wie die Cap Arcona, Thielbek, Athen, Wilhelm Gustloff und andere Schiffe, die von der  Kriegs -Marine aufgegeben wurden. Am 3. Mai 1945 befanden sich  Cap Arcona, die Thielbek, die Athen und die Deutschland in der Lübecker Bucht zwischen Neustadt (Holstein) und Scharbeutz. Die Cap Arcona war ein Luxusdampfer der Hamburg-Südamerika-Linie, die nach dem Kap Arkona auf der Insel Rügen benannt war. Der Dampfer beförderte sowohl Luxusreisende wie auch Auswanderer, vorwiegend nach Südamerika. Ab 1940 wurde die Cap Arcona von der deutschen Kriegsmarine benutzt. Ende 1944 wurde sie zum Transport von Flüchtlingen aus Ostpreußen nach Westen eingesetzt, danach von der Kriegsmarine aufgegeben.

Ab dem  26. April 1945 wurde die Cap Arcona mit Häftlingen aus dem KZ Neuengamme und Überlebenden des Todesmarsches aus dem KZ Fürstengrube und anderen schlesischen Lagern beladen und zusammen mit zwei kleineren Schiffen, der Thielbek und der Athen, in die Lübecker Bucht gebracht in der Absicht, Spuren der KZ-Verbrechen zu vernichten. Am 3. Mai 1945 griffen englische Jagdbomber den Passagierdampfer "Cap Arcona" in der Lübecker Bucht vor Neustadt an. Was die britischen Piloten nicht wussten: Der Luxusliner war vollgepfercht mit Häftlingen aus den Konzentrationslagern der Faschisten. Mit Bomben und Raketen schossen "Typhoon" Jagdbomber der Royal Air Force die "Cap Arcona" und zwei Begleitschiffe in Brand, in einem zweiten Angriff feuerten die Piloten im Tiefflug aus ihren Bordkanonen auf die im Wasser treibenden Über-lebenden. Mehr als 7.000 ehemalige KZ-Häftlinge starben, wenige Tage vor Ende des Krieges, bei dem verheerenden Luftangriff.  Bis heute ist noch nicht restlos geklärt, wie es zu der tragischen Fehleinschätzung der Alliierten kam, auf dem Schiff befänden sich hohe Nazi-Funktionäre auf der Flucht nach Skandinavien. Es scheint allerdings sicher zu sein, dass schwedische Rot-Kreuz-Unterhändler am Tag vor der Katastrophe britische Militärs über den wahren Sachverhalt informiert haben.

(hg)