Kommentar:

Ein Alternative brauchts

Man soll es ja nicht für möglich halten, auf welchem Niveau die SPD inzwischen angekommen ist. Nein, die Rede ist nicht von dem hiesigen Landesverband, dessen Aufführungen den roten Jochen wie einen Brummkreisel im Grabe routieren lassen. Gemeint ist Müntefering, der nach zweieinhalb Kriegen, Rentenklau, Praxisgebühr und „Hartz IV“ auf einmal den Antikapitalisten mimt. Eigentlich kann niemand so blöd sein, und der SPD diese Tour wirklich abzukaufen. Doch ganz so einfach läuft es nicht. Die Illusionen der meisten Menschen mögen inzwischen auf ein Minimum eingedampft sein, doch so lange sich keine Alternative anbietet, wird sich mancher sagen: Na ja, wer weiß, vielleicht ist ja doch noch nicht alles verloren.

Die gesuchte Alternative muss nicht unbedingt eine neue Partei sein – obwohl es schon wünschenswert wäre, dass sich die „Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit“ zu einer Partei, die mehr vor hat, als das Elend der leeren öffentlichen Kassen „mitzugestalten“. Aber wichtiger noch wäre, dass sich in den Gewerkschaften, auf der Straße, in den Unis sowie in den neuen Call-Centern und ähnlichen Schwitzbuden der schönen neuen Welt des deregulierten Kapitalismus etwas tut.

Denn eins ist klar: Nur dort kann die Dampfwalze des Turbokapitalismus, der Generalangriff auf Flächentarif, Sozialversicherung, Gesundheitswesen und kommunale Versorger langfristig aufgehalten werden. (Die Betonung liegt auf langfristig, denn ein langer Atem wird selbst im günstigsten Fall gebraucht werden.)
Vor eineinhalb Jahren, als am 1. November 2003 in Berlin 100.000 gegen Sozialabbau und Lohnraub demonstriert haben, hat sich gezeigt, dass all die vielen kleinen örtlichen Initiativen, linke Betriebsgruppen und die Gewerkschaftsbasis gemeinsam etwas auf die Beine stellen können, dass man nicht immer auf den Apparat oder den DGB-Vorstand warten muss, der sowieso lieber bei Schröder im Warmen sitzt. Nun käme es darauf an, diese damals begonnene Zusammenarbeit endlich zu verstetigen. Was wir brauchen, ist ein großer bundesweiter Ratschlag aller, die gegen „Hartz IV“ und Arbeitslosigkeit, gegen Sozialabbau und Lohnraub kämpfen wollen. Hoffen wir, dass auf dem Sozialforum in Erfurt (siehe Seite 14) endlich ein Anfang gemacht wird.

(wop)