Gesetzlicher Mindestlohn oder Ausweitung des Entsendegesetzes?

Auch innerhalb der Gewerkschaften wird die Debatte um Mindestlöhne kontrovers geführt. Die IG-Metall u.a. befürchten Eingriffe in die Tarifautonomie, während ver.di und NGG die Einführung von Mindestlöhnen befürworten. In der alten BRD befinden sich ca. 6,2 Millionen KollegInnen im Niedriglohnsektor. Davon arbeiten ca. 4,3 Mio. in so genannten prekären Arbeitsverhältnissen und ca. 2 Mio. zu Löhnen die unter 50 Prozent der Durchschnittsgehälter liegen. Besonders betroffen sind hier unsere Kolleginnen, Beschäftigte in Kleinbetrieben und im Dienstleistungsbereich. Verschärft wurde die Situation durch den Einsatz von  "Billiglohn- arbeiterInnen" aus neuen EU-Ländern, die hier schamlos ausgebeutet werden, sowie durch Hartz IV, wo Beschäftigungsverhältnisse als zumutbar angesehen werden, die 30 Prozent unter dem ortsüblichen und/oder tariflichen Einkommen liegen. Außerdem üben die "Ein-Euro-Jobs" erheblichen Druck auf die unteren Einkommen aus. Ein wichtiger Punkt ist auch die Tarifbindung die weiter rückläufig geworden ist. In der alten BRD sind nur noch ca. 70 Prozent und in den neuen Bundesländern 55 Prozent der ArbeitnehmerInnen durch Tarifverträge erfasst. Außerdem haben verschiedene Gewerk-schaften über 600 Tarifverträge mit Löhnen von weniger als sechs Euro vereinbart. Deshalb wird auch eine Ausweitung (Allgemeinverbindlichkeit)  des geltenden Entsendegesetz (Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) regelt die Fälle einer Entsendung von ArbeitnehmerInnen ausländischer Unternehmen nach Deutschland und zwar ausschließlich für den Bereich des  Bauhauptge- werbes und Baunebengewerbes) nichts bringen, da Betriebe in den denen kein Flächentarif vereinbart bzw. in denen tarifliche Billiglöhne vereinbart wurden, nicht erfasst werden sollen. Die NGG fordert deshalb einen gesetzlichen Mindestlohn von 1.500 Euro.
 


Auch das WSI hält die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns für sinnvoller. "Solche Regelungen existieren heute in der Mehrzahl der europäischen Staaten. Befürchtungen, dass da-durch Arbeitsplätze gefährdet würden, lassen sich nicht begründen. Besonders interessant sind aus Sicht des WSI die Erfahrungen in Großbritannien. Dort sagten Kritiker bei der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns im Jahr 1999 ebenfalls massive Beschäftigungsverluste voraus. Zahlreiche wissenschaftliche Analysen haben indes belegt, dass diese Sorgen unbegründet waren. Während der gesetzliche Mindestlohn in Großbritannien zwischen 1999 und 2004 von 3,60 auf 4,85 britische Pfund (etwa 7,10 Euro) erhöht wurde, ist die Arbeitslosenquote von 6,2 Prozent (1998) auf 4,7 Prozent (2004) zurückgegangen. Mittlerweile wird der gesetzliche Mindestlohn von allen gesellschaftlichen Gruppen einschließlich der Arbeitgeber als wichtiges soziales Regelungsinstrument akzeptiert". (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung)

(hg)