auf & davon

In der Nacht zum 13. April wurde die kurdische Familie A. in ihrer Wohnung in Stockelsdorf in Ostholstein brutal aus dem Schlaf gerissen. Vor der Tür standen Beamte des Bundesgrenzschutzes im Auftrag der Ausländerbehörde Eutin mit einem Polizeitransporter, um die Familie abzuholen und sie in die Türkei abzuschieben. Verzweifelt sprang Herr A. aus dem Fenster. Die Polizei versuchte, ihn zu verfolgen. Voller Angst und unter dem verzweifelten Geschrei der Kinder alarmierte Frau A. Nachbarn und Mitarbeiter des Lübecker Flüchtlingsforums. Kurz darauf erlitt sie einen Zusammenbruch und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Ihr seit langem therapiebedürftiger psychischer Gesundheitszustand verschärfte sich durch das Schockerlebnis dramatisch. Die Kinder blieben allein zurück, bis sich Verwandte um sie kümmerten. Der Familienvater hatte am Morgen vergeblich versucht eine Duldungsverlängerung bei der Ausländerbehörde zu bekommen. Er sollte am nächsten Tag erneut vorsprechen. Im März war der Härtefallantrag für die Familie abgeschmettert worden. Das Lübecker Flüchtlingsforum fordert alle zuständigen Stellen auf, Familie A. einen Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen.

Anfang Mai sollen nach Ablauf des Abschiebestopps bis zum 30. April in Hamburg die ersten Abschiebungen nach Afghanistan stattfinden. Innensenator Nagel (mit vier Bodyguards als Begleitschutz) stellte schon am dritten Tag seines Afghanistanbesuchs fest, dass afghanische Flüchtlinge in Deutschland “heimkehren” könnten.  Bisher klagen selbst freiwillige Rückkehrer über die prekären Überlebensbedingungen, da das Land schon weit über seine Kapazitäten Hunderttausende aus Pakistan und Iran zurückkehrende Flüchtlinge aufgenommen hat. Tausende leben in und um Kabul in Zeltstädten, ohne Arbeit oder schulische Versorgung. Mangels Erwerbsalternativen blühen Krimininalität, Korruption und Drogenwirtschaft. Insbesondere Frauen sind auch im nach-talibanischen Afghanistan von Gewalt bedroht, marginalisiert und fristen eine Existenz ohne Perspektiven.

Bleibegrund Genitalverstümmelung: Das Verwaltungsgericht Kasselhat in einem Urteil vom 23. März entschieden, dass ausländische Frauen und Mädchen aus Deutschland nicht in ihre Heimatländer abgeschoben werden dürfen, wenn ihnen dort eine Genitalverstümmelung droht. Im konkreten Fall hatten zwei 17 und 25 Jahre alte Schwestern aus Sierra Leone gegen ihre Abschiebung geklägt.

Bundesinnenminister Otto Schily beabsichtigt die Regierungen Algeriens, Tunesiens, Libyens und Ägyptens zwecks Ausbau der Zusammenarbeit in der Flüchtlingspolitik zu besuchen. Was darunter zu verstehen ist, wird in dem internationalen Appell des Komitees für Grundrechte und Demokratie sowie der Forschungsgesellschaft Flucht und Migration deutlich. Darin wird aufgerufen, die Forderung nach einer öffenliche Inspektion der menschenrechtswidrigen Internierungslager für Flüchtlinge und Migrantinnen und Migranten in den Mittelmeerländern sowie deren Schließung zu unterstützen.

Am 19. April erfolgte die polizeiliche Räumung des Pariser Unicef-Büros. Das Büro wurde sei dem 17. März durch 15 Aktivistinnen und Aktivisten des 9. Kollektivs der Pariser Sans Papiers besetzt, um auf das Schweigen der UNICEF bei Einsperrung und Abschiebung von papierlosen Jugendlichen aufmerksam zu machen.

2004 wurden laut Bundesregierung 21.970 Abschiebungen auf dem Luftweg durchgeführt. Die meisten Abschiebungen führten ins ehemalige Jugoslawien (4.421), gefolgt von der Türkei (3.666) und Bulgarien (1.208).

(gho)