Lustiges Hauen und Stechen bei der hanseatischen CDU:

Offenbarung aus Wandsbek

Nachdem Peter Harry Carstensen nun endlich seinem Versprechen nachkommen und an die Erfolge Uwe Barschels anknüpfen kann, stehen uns ein paar unterhaltsame Jahre bevor. Darauf deutet auch das muntere Geschehen bei der Hamburger CDU hin, von dem unser Autor berichtet; denn einst ist sicher: Gegen das hiesige Personal der Christdemokraten sind die Hamburger Waisenknaben. (wop)

“Shit happens”, so die beiläufige Bemerkung von Carl-Friedrich Arp Freiherr von Beust zu den aktuellen Stammesfehden in Hamburgs CDU-Funktionärsriege. Ole von Beust, wie sich der Oberbürgermeister nennt, spielte bei der jährlichen Gala der Hamburger Landespressekonferenz Ende April die “Schlammschlacht” (Hamburger Morgenpost) oder “CDU-Krise” (Hamburger Abendblatt) herunter. Seit Wochen steigern die Funktionäre von Hamburgs alleinregierender CDU auf vielfältige Weise den Unterhaltungswert der lokalen Politik und offenbaren unfreiwillig, was für ein Personal in der Stadt das Sagen hat.

Begonnen hat alles in einer der schwärzesten Ecken der Stadt – in Wandsbek, wo bis heute erkennbar ist, dass dieser Bezirk bis 1937 zu Preußen gehörte: „Ich habe eine sehr offene, sehr direkte Art – wenn das als Kasernenhofton dargestellt wird...“, säuselte Natalie Hochheim, nachdem sie als Fraktionsgeschäftsführerin der CDU in der kommunalen Wandsbeker Bezirksversammlung vom neuen Bezirksvorstand mit Hausverbot belegt worden war. Mit ihrer – jetzt  zurückge- nommenen – fristlosen Kündigung hatte Mitte März alles begonnen. Der Fraktionsvorstand war zurückgetreten, ein anderer Klüngel wurde an die Spitze gewählt – und der wollte Hochheim schnell loswerden. Karl-Heinz Warnholz, der Bezirksfürst der Wandsbeker CDU, hielt früher angeblich viel von Hochheim, soll sie und ihren Mann aber laut FAZ inzwischen als „Ehepaar Ceausescu“ bezeichnet haben. Da wundert es nicht, dass Hochheim gleich am Tag nach dem Wechsel im Vorstand vom neuen Fraktionschef Eckard Graage einbestellt wurde. Obwohl sie wegen einer Risikoschwangerschaft krankgeschrieben war. Graage schlug ihr einen Aufhebungsvertrag zum 30. Juni vor. Als sie den ablehnte und auf dem gesetzlichen Mutterschutz bestand, erteilte er ihr kurzerhand Hausverbot und kündigte fristlos. Es dauerte vier Wochen, bis Graage klein beigab und die eindeutige Rechtslage akzeptierte, nach der Schwangere nicht einfach so gefeuert werden dürfen. Der Hamburger Vorsitzende der CDU, Dirk Fischer, bemühte sich gegenüber den Medien der Stadt um Schadensbegrenzung, erklärte aber gleich zu Beginn des Konfliktes, der Ausgang dieser „arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung“ sei ohne Belang, denn mit den unerfreulichen innerparteilichen Konflikten habe das nichts zu tun.

Selten wird so deutlich, was Funktionäre der CDU von Kündigungs – und Mutterschutz halten: Arbeitsrecht ist lästig und zum ignorieren da. Und die Gekündigte? Natalie Hochheim, die sogleich mit dem Gang zum Arbeitsgericht drohte, als es um ihren Arbeitsplatz ging, ist auch Abgeordnete der Hamburger Bürgerschaft. Dort sitzt sie zusammen mit ihrem Mann Ralf Niedmers und Warnholz in der CDU-Fraktion. Als Sprecherin für Arbeitsmarktpolitik sorgte sie sich bei der Vorbereitung der Hartz-IV-Gesetze darum, „wie kann sich der Staat vom Kostendruck entlasten?“ Mit „Kostendruck“ gemeint waren Arbeitslose, sie legte sich mächtig ins Zeug dafür, optimale “Rahmenbedingungen für einen reibungslosen Start der Arbeitsmarkt-Reform” zu schaffen.

So verwundert es nicht, dass der Streit um Ihre Entlassung vor allem als beinharte Konkurrenz darum ausgetragen wurde, welcher Klüngel das Inzenieren von Intrigen besser beherrscht. Eine Schlüsselqualifikation für ParteikarrieristInnen nicht nur in der CDU neben der optimalen Selbstvermarktung. Dumm nur, wenn das mal aus dem Ruder läuft: Dann werden Zeitungen plötzlich mit immer mehr Internas, welche die Gegenseite belasten sollen, versorgt. So haben einige Jounalisten bei der in Hamburg marktbeherrschenden Springerpresse die die sonst übliche Orientierung verloren und berichten kritisch – zwar gegen Teile der CDU, aber im Dienste anderer CDUler.

So kam jetzt auch heraus, dass mehrere CDU-Abgeordnete Staatsgelder für ihre Familien abzweigen. Am innovativsten hierbei: Der Klüngel um Hochheim. Familienangehörige als Mitarbeiter anzustellen, ist eigentlich verboten. Aber das gilt ja nur für die eigene Familie, nicht über Kreuz mit Familien anderer Abgeordneter: So geht die Miete für die Bürogemeinschaft der Abgeordneten Natalie Hochheim, Ralf Niedmers und Bruno Claußen an Niedmers' Vater, während Hochheims Mutter für Claußen arbeitet. Ähnlich ist es in einer anderen Bürogemeinschaft, wo der Sohn des CDU-Abgeordneten Volker Okun für den Büronachbarn Wolfhard Ploog arbeitet.

Am Samstag letzter Woche stand in der Hamburger Morgenpost unter dem Titel “Jeder zehnte Abgeordnete in Affäre verwickelt”: “Unter den 63  CDU-Abge- ordneten gärt es, jeder zehnte ist in eine Affäre verwickelt, zwei traten bereits zurück - und mindestens fünf CDU-Männer hat die Justiz im Visier”. Darunter: Clemens Nieting, der zurücktrat und als Landesorganisationsleiter der Hamnburger CDU beurlaubt ist, weil die Polizei bei einer Razzia bei ihm große Mengen an Kinderpornografie fand. In die Bürgerschaft rückte für ihn Alexander-Martin Sardina nach. Doch auch der hat mit bildnerischer Darstellung sexualisierter Erniedrigung Erfahrung. Es geht um Fotos eines gefesselten Mädchens, die in seiner Wohnung aufgenommen wurden. Sardina tat das als “dummen-Jungen-Streich" ab – er war ja auch erst 23, als die Fotos entstanden, und hatte Handschellen zuhause, als eine 16-jähriges Mädchen aus der Schüler-Union bei ihm war. Sardina gegenüber der Morgenpost: “Die zwei Fotos zeigten ein angezogenes Mädchen, dass in die Kamera lächelt. Nur der rechte Arm ist an den Stuhl gefesselt. Die Handschellen fallen kaum auf, sehen eher wie ein Armreif aus.” Alles ganz harmlos, fand auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Bernd Reinert: “Es war in der Tat geschmacklos und vermutlich auch eine Dummheit, mehr aber nicht.” Sardina habe sich “nichts zu Schulden kommen lassen, was seine politische Integrität beeinträchtigte”. Das gleiche gilt auch für Dietrich Hoth – der ist Nachrücker für Volker Okun. Okun ist ein echter Kollateralschaden der laufenden  Schlamm- schlacht, kam doch nebenbei heraus, dass er seit Jahren seinen Lebensmittelpunkt  in einem großen Einfamilenhaus im niedersächischen Brackel am Rand von Hamburg hat – Abgeordnete müssen aber ihren Erstwohnsitz in Hamburg haben.

Bevor die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnahm, trat Okun schnell zurück. Dietrich Hoth nun, der Nachrücker, verkörpert das stockreaktionäre Milieau, welches die Hamburger CDU lange dominierte, bis der liberalere Carl-Friedrich Arp Freiherr von Beust Spitzenkandidat wurde: Der 77-jährige war früher  Landesvor- sitzender der Vertriebenen. Was er vor 1945 gemacht hat, ist nicht bekannt. Bei den Vertriebenen ist er nur abgewählt worden, weil er schlecht gewirtschaftet haben soll: Sein Nachfolger Gunter Ziegler wirft Hoth dass vor: „Er hat krumme Dinger gedreht." Die Rede ist von unbezahlten Rechnungen. Ziegler: „Weil Hoth die Vereinigung runtergewirtschaftet hat, haben wir ihn abgewählt, ihm Hausverbot erteilt.“ Wäre Hoth nicht eine ideale Besetzung der CDU für den Haushaltsausschuß der Hamburger Bürgerschaft?

(Gaston Kirsche)