Gegen Gentechnik:

Auch eine Frage der Demokratie

Am Dienstag nach Pfingsten haben die Versammlung der Europäischen Regionen und das internationale Umweltschutznetzwerk Friends of the Earth (Freunde der Erde), dem auch der deutsche Bund für Umwelt- und Naturschutz angehört, in Brüssel eine gutbesuchte Konferenz gegen Gentechnik in der Landwirtschaft veranstaltet. Auf der ging es unter anderem darum, wie viel Rechte die Regionen - im Falle Deutschlands die Bundesländer oder auch Kreise - haben, wenn es um die Genehmigung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen geht. Wir sprachen mit Adrian Bebb, der im Europabüro von Friends of the Earth die Kampagne gegen Gentechnik in der Landwirtschaft leitet. (wop)

LinX: Sie gehörten zu den Organisatoren einer Konferenz über den Schutz einer nachhaltigen europäischen Landwirtschaft, die sich gegen den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen richtete. Woher diese Angst vor der Gentechnik?

Adrian Bebb (A.B.): Es gibt eine Reihe von Gründen, weshalb viele Menschen gentechnisch veränderte Organismen ablehnen. Sie machen sich Sorgen um ihre Gesundheit, um die Umwelt und auch um ihre kulturelle Identität. Wie wir auf der Konferenz in Brüssel, die wir gemeinsam mit der Versammlung der Europäischen Regionen organisiert haben, sahen, sind überall in Europa die Landwirte beunruhigt. Sie haben ihre regionalen Erzeugnisse und insbesondere im ökologischen Landbau oft eine enge Bindung des Verbrauchers und fürchten nun, dass Gentechnik ihnen die ökonomische Grundlage zerstört.

LinX: Wie das?

A.B.: Niemand kann den Pollenflug kontrollieren. Wenn gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden, verbreitet sich das manipulierte Erbgut und vermischt sich mit dem anderer Wild- und Nutzpflanzen. Niemand kann dann mehr garantieren, dass seine Ernte, die von einem Feld stammt, in dessen Nachbarschaft zum Beispiel Genmais oder -raps angebaut wurde, gentechnikfrei wäre. In vielen Regionen gibt es eine Kultur hochwertiger Nahrungsprodukte, die teilweise international ihre Abnehmer finden, wie zum Beispiel die Erzeugnisse der Toskana in Italien. Deren Regionalregierung gehörte zu den Unterstützern unserer Konferenz und befürchtet, dass die Toskana Abnehmer für ihre Produkte verliert, wenn dort Gentechnik eingeführt wird.

LinX: Sind Sie mit den Ergebnissen Ihrer Konferenz zufrieden?

A.B.: Ja. Wir hatten ursprünglich mit 150 Teilnehmern gerechnet, gekommen sind jedoch 280 aus 20 europäischen Ländern. Auch Vertreter der EU-Kommission und anderer europäischer Institutionen waren darunter. Ich denke die Botschaft, die die Kommissionsmitarbeiter mitbekommen haben, ist ziemlich klar: Je näher der kommerzielle Anbau gentechnisch veränderter Organismen rückt, desto stärker wird der Widerstand aus den europäischen Regionen dagegen. In den Detaildiskussionen ging es sehr oft um den Spielraum der Mitgliedsländer, die Bestimmungen erlassen müssen, mit denen die Verbreitung von gentechnisch verändertem Erbgut, also zum Beispiel die Verunreinigung von Nachbarfeldern, verhindert werden soll. Das ist in der Praxis natürlich nur schwer 100prozentig möglich, aber man kann mit diesen Gesetzen vielleicht den Anbau begrenzen.

LinX: Einige Regionen haben sich bereits zu gentechnikfreien Zonen erklärt.

A.B.: In der Tat. Nach unseren Informationen haben sich bisher etwa 160 Regionen und Provinzen in der einen oder anderen Weise gegen den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft ausgesprochen, und diese Zahl wächst zurzeit wöchentlich. Nach den Informationen, die auf der Konferenz ausgetauscht wurden, haben zirka 2500 lokale Behörden erklärt, sie möchten den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in ihrem Gebiet verbieten. Nun fangen diese lokalen Behörden und Vertretungen der Regionen an, EU-weit zu kooperieren, und gemeinsam Druck auf die EU-Institutionen auszuüben, damit ihnen erlaubt wird, den Anbau von Gen-Pflanzen auf ihrem Gebiet zu untersagen. Das, denke ich, ist eine wirklich historische Entwicklung.

Das Ganze ist auch eine Frage der Demokratie. Die Kommission lässt keinen Zweifel daran, dass sie gegen gentechnikfreie Zonen ist, also dagegen, dass die Regionen über diese Frage entscheiden können. Auf der anderen Seite fordern die Regionen aber vehement dieses Recht. Ich denke, dass das ein gutes Beispiel dafür ist, wie die Kommision gegen die Interessen der Öffentlichkeit verstößt. In der Diskussion in Brüssel wurde von verschiedenen Teilnehmern wiederholt auf die Auseinandersetzung um die EU-Vefassung verwiesen. Man fühlte sich im Vorgehen der Kommission in seiner Skepsis bestätigt.