Kommentar:

Die Chance nutzen

Ganz schön schwarz ist Deutschlands politische Landkarte seit letztem Sonntag. Nun ist auch NRW – das Bayern der SPD – an die CDU gefallen, und Schröder hat die Notbremse gezogen: Im Herbst soll der Bundestag vorzeitig neu gewählt werden. Nur so, mag er sich gedacht haben, kann das Auseinanderbrechen der SPD noch verhindert werden. Ganz offensichtlich stehen uns bewegte Zeiten bevor, Zeiten, in denen entschlossene und vor allem zielstrebige außerparlamentarische Bewegungen einiges erreichen könnten.

Mancher hat ja nach den großen Montagsdemos vom Spätsommer letzten Jahres den Kopf schon wieder in den Sand gesteckt. Nun zeigt sich, dass die herrschenden Eliten ihre politische Krise keineswegs in den Griff bekommen hat. Man mag an dieser Stelle einwenden, dass die Probleme der Herrschenden so groß nicht sein können, wenn die Regierungsgeschäfte an eine andere, den Konzernen nicht weniger gefügige Mannschaft, übergeben werden können. Das Argument übersieht allerdings zweierlei: Zum einen wird sich auch die CDU in der Regierung in Rekordzeit abnutzen, wenn sie angesichts leerer Kassen, wie in  Schleswig- Holstein, den Bruch so manchen Wahlversprechens eingestehen muss. Ein erheblicher Teil der CDU-Klientel gehört zu den Verlierern der vorherrschenden Politik der Umverteilung von unten nach oben. Entsprechend gibt es bei den CDU-Sozialausschüssen bereits Absatzbewegungen, die sich unter einer Kanzlerin Merkel rasch beschleunigen wird.

Zum anderen ist die Krise der SPD derart gravierend, dass diese Partei auf Dauer ihre Bindungsfähigkeit für einen erheblichen Teil der Lohnabhängigen verlieren könnte. Das macht, wie man bereits an der Wahlalternative für Arbeit und Soziale Gerechtigkeit sehen kann, den Raum frei für neue Formationen. Für die Herrschenden durchaus eine ungemütliche, weil unberechenbare Entwicklung, für die Linke eine Chance, die es zu nutzen gilt.

Aber das heißt nicht, dass sich nun unbedingt alles auf die WASG stürzen sollte. Viel wichtiger wäre es, endlich eine längerfristige Kampagne gegen Armut, Arbeitslosigkeit und Privatisierung auf die Beine zu stellen, die auch die Kämpfe gegen Studiengebühren miteinbeziehen müsste. Das bundesweite Sozialforum im Juli ist für die Diskussion einer solchen Kampagne sicherlich ein geeigneter Rahmen. Aber vielleicht sollte man auch in Kiel einen Ratschlag abhalten. Oder zwei: Einen, auf dem das Erfurter Sozialforum vorbereitet wird, und einen, der die Ergebnisse diskutiert.

(wop)