Ländliches

Die CDU-SPD-Landesregierung hat Haushaltssperre und Beförderungsstopp verhängt. Natürlich geht es dabei alles schön sozialverträglich zu Deshalb wird auch nicht davon abgesehen, einen neuen Staatssekretär für „Deregulierung“ einzustellen. Insgesamt beschäftigt die Landesregierung in ihrem Apparat 61 Menschen auf 42,55 Stellen mit „Deregulierung, Entbürokratisierung, Verwaltungsstrukturreformen oder Modernisierungsvorhaben“. Das lässt man sich rund 3,5 Millionen Euro im Jahr kosten, also 82256 Euro pro Stelle. Wie man sieht ist Deregulierung nicht nur für private Unternehmen ein gutes Geschäft. Aber wir können wohl sicher sein, dass die große Koalition – ganz sozialverträglich – hier keinerlei Einsparpotenziale ausmachen wird.

Derweil ist die Verschuldung des Landes auf über 21 Milliarden Euro angewachsen, wie der Landesrechnungshof in seinen Jahresbericht moniert. Dafür würden täglich 2,5 Millionen Euro Zinsen gezahlt. Oder knapp ein Euro pro Einwohner. Täglich. Ohne Tilgung. In der Pro-Kopf-Verschuldung ist Schleswig-Holstein inzwischen Spitzenreiter unter den Flächenländern. Wenn künftig auf Neuverschuldung gänzlich verzichtet und pro Jahr etwa eine Milliarde Euro an Zins und Tilgung aufgebracht würde, könnte das Land in 35 Jahren schuldenfrei sein. Die amtlichen Kassenprüfer fordern daher radikale Kürzungen, und zwar auch bei denjenigen Personalausgaben, die die Koalitionäre zu Tabuzonen erklärt haben: Lehrer, Polizei, Hochschulen, Steuerverwaltung, Richter und Staatsanwälte. Diese machten zusammen etwa 75 Prozent aller Stellen aus. Beim SSW hält man das für eine Rasenmähermethode und fordert einen Kurswechsel in der Finanz- und  Wirtschafts- politik: „In dieser Situation würden weitere Steuergeschenke für Unternehmen und Spitzenverdiener aber nur noch größere Löcher in die Kassen der Gemeinschaft reißen. Der einzige Weg zur Haushaltssanierung führt über Einnahmeverbesserungen. Deshalb müssen das Land und der Bund alles unternehmen, um die Binnennachfrage zu stärken."

Schleswig-Holstein ist allerdings kein Einzelfall: In Thüringen wurde am selben Tage wie in Kiel eine Haushaltssperre verhängt. In Niedersachsen ist gar schon vom drohenden Staatsbankrott die Rede. Alle 16 Bundesländer leiden unter einem Rückgang der Steuereinnahmen, der nicht nur der flauen Wirtschaft, sondern vor allem auch den Steuergeschenken der faktischen großen Koalition zu verdanken ist. Schleswig-Holstein werden zum Beispiel bis zum Jahre 2009 rund 3,4 Milliarden Euro gegenüber der bisherigen Finanzplanung fehlen. Nach der jüngsten Steuerschätzung wird die öffentliche Hand bis 2008 66,8 Milliarden weniger Euro als geplant einnehmen. Auf die Länder entfällt davon ein Fehlbetrag von 29 Milliarden Euro. Berlin, das mehrere Dutzend Milliarden Euro für die Risikoabschirmung der Anleger der Berliner Bankgesellschaft zugesagt hat (mit den Stimmen der PDS), ist besonders klamm. Dort erhofft man vom Bundesverfassungsgericht ein Attest, dass man in einer extremen Haushaltsnotlage sei, was Hilfen des Bundes nach sich zöge. Bremen und Saarland warten mit Interesse auf den Ausgang des Verfahrens, um ihrerseits Ansprüche anzumelden. Bundesfinanzminister Eichel lässt gibt hingegen Nachhilfe in föderaler Demokratie:  „Wenn ein Land nachhaltig nicht auf die Beine kommt, stellt sich die Frage nach seiner Existenzberechtigung.“

Die Abgeordneten Karl-Martin Hentschel (Grüne) und Lars Harms (SSW) machen in einer gemeinsamen Presseerklärung darauf aufmerksam, dass die neue Landesregierung den treuesten CDU-Wählern an den Geldbeutel will: „Die Landesregierung wird, wie angekündigt, die gesamte von der alten Landesregierung zugesagte Förderung für die Grünlandbauern streichen. Das stattdessen als Ausgleich angekündigte Programm wird nur reinen Grünlandbauern zur Verfügung stehen. Dies betrifft lediglich 300 Betriebe. Damit gehen 3000 Mischbetriebe mit mehr als 75 Prozent Grünland, die nebenbei auch Ackerbau betreiben, leer aus. Hauptbetroffene dieser Streichungen sind die Bauern in der Wilster Marsch, auf Eiderstedt und in der Eider-Treene-Sorge-Region.“

Die WestLB aus Düsseldorf, Herzstück des „rheinischen Kapitalismus“ á la SPD, ist offensichtlich auf die HSH Nordbank scharf, der gemeinsamen Landesbank Hamburgs und Schleswig-Holsteins. „Wir wollen unseren Anteil aufstocken und die Mehrheit übernehmen“, sagte ein WestLB-Sprecher der Berliner Morgenpost. Die HSH Nordbank entstand 2003 aus den Landesbanken Hamburgs und Schleswig-Holsteins.  4300 haben dort im vergangenen Jahr eine Bilanzsumme von 164 Milliarden Euro verwaltet. Die WestLB brachte es 2004 auf 254 Milliarden Euro. Die Aktien der HSH Nordbank AG verteilen sich wie folgt: WestLB 26,86 Prozent, Hamburg 35,38 Prozent, Schleswig-Holstein 19,55 Prozent und Schleswig-Holsteinischer Sparkassen- und Giroverband 18,21 Prozent. Allerdings hatten sich letztere drei 2003 darauf geeinigt, ihre Anteile mindestens zehn Jahre zu halten. Die WestLB hatte seinerzeit HDW aus dem Preussag herausgelöst und der Babcock AG zugeschlagen, die sich ordentlich in Kiel bediente, bevor sie pleite ging. Ansonsten engagiert man sich auch gerne im Pipelinebau durch ecuadorianische Urwälder. So in etwa muss man sich dann wohl die Förderung der regionalen Wirtschaft künftig vorstellen, wie sie eigentlich Aufgabe der Landesbanken sein soll.

„Die Koalitionspartner gehen für die Dauer der 16. Legislaturperiode von der Beibehaltung und Weiterentwicklung des gegliederten Schulsystems aus. Darüber hinaus kann es ein Nebeneinander von Schulen des gegliederten Schulwesens und Gemeinschaftsschulen geben. Dabei muss die Wahlfreiheit der Eltern bestehen bleiben“, haben CDU und SPD im Koalitionsvertrag festgehalten. Die Lübecker CDU hält – man kennt das seit 30 Jahren aus der Diskussion über Gesamtschulen – wenig vom Elternwillen und hat beschlossen, keine Gemeinschaftsschulen in Lübeck zu zulassen. Na ja, war, wie in der Frage der Studiengebühren (siehe Leitartikel), abzusehen, dass sich die SPD schon nach wenigen Wochen Amtszeit der neuen Regierung am Nasenring durch die Manege führen lässt.

Der DGB Nord-Vorsitzende Peter Deutschland meint zur jüngsten Diskussion über Studiengebühren in Schleswig-Holstein: „Das ist eine Horrordiskussion mit abstrusen Vorschlägen. Der Wissenschaftsminister will Studiengebühren und versteckt sich dabei hinter den anderen norddeutschen Ländern. Der Präsident der IHK entblödet sich nicht, Hochschulgebühren mit Volkshochschulgebühren zu vergleichen. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Studiengebühren bedeuten einen bildungspolitischen Rückschritt in jene Zeit, als der Geldbeutel der Eltern darüber entschied, ob ein Kind studieren kann oder nicht. Aber diese kollektive Erinnerung scheint in Deutschland verloren zu gehen.“ Zum gleichen Thema meint die SSW-Vorsitzende im Landtag, Anke Spoorendonk: „Die Einführung von Studiengebühren löst nicht die Finanzierungsprobleme der Universitäten und Fachhochschulen, verkürzt kein Studium aber schreckt dafür Studierwillige ab. Dies gilt auch für die angeblich sozialverträglichen Modelle der CDU. Bildung muss weiterhin ein kostenloses Gut bleiben, um die soziale Gerechtigkeit zu wahren und um den Wirtschaftsstandort zu stärken.“

(wop)