Spielfilm über Veteranen der Roten Armee:

Tagtäglich kämpfen

Grüß dich Aljoscha", "Grüß dich Wanja", vier Männer Mitte fünfzig umarmen sich zur Begrüßung auf einem Moskauer Friedhof. Beim Reden brechen ihre Sätze nach der Hälfte ab, sie schweigen sich an. Ein Vierteljahrhundert haben sie sich nicht gesehen, aber nun, 1970, bei der Beerdigung eines gemeinsamen Freundes. Sie kennen sich von der Roten Armee, haben in einem Batallion gegen die Deutschen gekämpft. Der Filmregisseur Andrej Smirnow, selbst erst im Jahr des deutschen Einmarsches in der Sowjetunion geboren, drehte 1970 den Spielfilm "Belorussischer Bahnhof", der in der damaligen Jetztzeit spielt. "Wir haben einen Film gedreht über die Generation, die den Krieg gewonnen hat. Wir wollten uns diese Menschen einmal ganz genau ansehen und begreifen, was ihnen über die Härten des Krieges hinweggeholfen und sie zum Sieg geführt hat. Es ist ein Film über unsere Eltern ...".

Ärgerlich ist, dass der Film die Mär reproduziert, dass in der Roten Armee die Männer gekämpft hätten, während die sowjetischen Frauen im Hinterland auf sie gewartet hätten. So ist es weitgehend ein Film über die Väter, erst im bewegendsten und letzten Teil des Filmes spielt die Sanitäterin Raja eine wichtige Rolle, als die Männer zueinander finden und gemeinsam trauern.

Der Film war in der DDR 1972 ein großer Kinoerfolg, auch weil die Protagonisten nicht als übermenschliche Helden dargestellt werden, sondern als normale Sowjetmenschen mit Schwächen und Zweifeln. Von der Ironie, die in Smirnows Film wichtig ist, geht durch die biedere und altbackene Synchronisation der DEFA viel verloren. Es ist spürbar, wie penibel korrekt die Verantwortlichen in der DDR sein wollten, bei der Darstellung der sowjetischen Sieger.

Nach und nach wird in dem Film deutlich, welche Probleme die vier Männer in ihren Berufen haben, als Schlosser, Kombinatsleiter, Buchhalter oder Journalist: "Ich komm nicht mehr mit, was erlaubt ist und was nicht. Da wird Eigeninitiative gefordert, aber morgen kann dass schon wieder bestraft werden", offenbart sich der Buchhalter Nikolai: "Ich sehne mich nach einem Dienst in der Armee". Wo alles klar sei und er nur auf den Kommandanten zu hören bräuchte. Während er das sagt, sitzen die vier in einem Lokal voller junger Leute, die zu einer Liveband tanzen, die wie eine Art russische Beatles klingen.

Aber nur Stunden später, als es darum geht, für den Transport eines Verletzten ein Auto zu bekommen, wird Nikolai selbst initiativ und hält sich auch nicht ans Gesetz: Den jungen Schnösel, der sich weigert, sein Auto für den Notfall zur Verfügung zu stellen, streckt er mit einem Schlag nieder. Die vier Kriegsveteranen landen daraufhin in einer Zelle der Miliz. Nun reden sie in ganzen Sätzen miteinander, über sich, über Kriegserlebnisse.

Am Schluss des Filmes ist deutlich, wie sehr der Krieg sie geprägt hat. Die Veteranen der Roten Armee bilden dabei einen klaren Kontrast zu der deutschen Landserromantik und der Kameraderie der ehemaligen Wehrmachtsoldaten. Ihr Krieg war die Verteidigung gegen den Überfall auf die Sowjetunion. Sie singen ihr altes Lied und weinen: "Lasst uns die schwarzen Wolken bannen, dass unsere Erde nicht mehr bebt. Die Nacht will uns verschlingen, doch wir verzweifeln nicht. Gemeinsam werden wir den Tod bezwingen, der Tag erwacht zu neuem Morgenlicht." Es ist ein Lied von Bulat Okudschawa, dass für die deutsche Fassung übersetzt wurde. Während sie schlafen, werden als ihr Traum Dokumentaraufnahmen vom Belorussischen Bahnhof gezeigt, vom Mai 1945. Wie an diesem westlichen Moskauer Bahnhof die Heimkehrer von der Front ankamen. Auch die erwachsene Tochter der Sanitäterin Raja träumt von diesen Bildern der Befreiung.

(Gaston Kirsche)