4. Juni 2005:

Demonstration für die Alte Meierei

Laut Bericht auf der Internetseite der Meierei gingen am 4. Juni ca. 600 Menschen trotz miesesten Wetters für die Meierei auf die Strasse. Anschließend ging es bis in die Nacht in der Meierei weiter mit lecker Essen und einem Soli-Umsonst-Festival mit sieben Bands aus der Region, das sich bei bester Stimmung zu einer rauschenden Tanz-Party entwickelte. In der Nacht kam es noch zu einem brutalen Überfall von Nazis auf BesucherInnen der Meierei. Für die Nazis endete dieser Überfall recht schmerzhaft, die fünf Angegriffenen blieben bis auf einige Schürfwunden und zitternde Knochen glücklicherweise unverletzt. Im Folgenden dokumentieren wir hier den Redebeitrag eines Vertreters von Avanti:
 
 
 


 

Hallo Kielerinnen und Kieler, liebe Meieristas!

Wir demonstrieren hier heute für den Erhalt der Alten Meierei und gegen die Schlichtheit gewöhnlichem verwaltungsrechtlichen Denkens. Man könnte auch sagen, für ein anderes und ganz sicherlich auch ein besseres Leben.

Was hat die Meierei mit einem besseren Leben zu tun?
 

Zwar geriet die Kieler HausbesetzerInnenbewegung im Jahre 1983 mit der polizeilichen Räumung der besetzten Häuser am Sophienblatt an ihr Ende, doch konnten der Kieler Stadtpolitik teilweise verrechtlichte Ausgleichsprojekte abgetrotzt werden. 1983 wurde die Alte Meierei als Wohnprojekt mit großem öffentlichen Veranstaltungsraum bezogen. Bei ordentlichem Mietvertrag, der die kulturelle Nutzung ausdrücklich miteinschloss, tolerierte die Kieler Stadtverwaltung 20 Jahre die unkonventionellen Formen selbstverwalteter, nichtkommerzieller Organisierung von Partys, Konzerten und Theateraufführungen.

Selbstorganisierung, Selbstbestimmung und Solidarität sind Begriffe, die heute noch in dem heterogenen NutzerInnenkreis der Alten Meierei zirkulieren und am ehesten die geschichtliche Kontinuität der Alten Meierei als soziales und politisches Projekt ausmachen. Real werden sie in der Art und Weise, in der sich die NutzerInnen und BesucherInnen der Alten Meierei den Raum aneignen. Konkret heißt das, dass Menschen frei sind, die Anstrengungen unbezahlter Arbeit auf sich nehmen - beispielsweise ein Konzert veranstalten - und das als glücklich machende Tätigkeit begreifen: Unabhängig davon, was in dieser von Wünschen, anderen gesellschaftlichen Vorstellungen und Spaß motivierten Arbeit auch an Nervereien, Pleiten, Pech und Pannen dazugehört, erlaubt sie doch eine aktive Aneignung des eigenen Lebens jenseits kapitalistischer Verwertungslogik.

Die Alte Meierei ist also nicht zuerst ein Raum für bestimmte musikalische Vorlieben, die bekanntlich eine Geschmackssache bleiben, sondern ein Ort der sozialen Phantasie, der über die beschissenen Verhältnisse hinausweist. Sie ist ein Widerspruch zur Unterwerfung aller menschlichen Lebens- und Genussmöglichkeiten unter die Anforderungen der Kapitalverwertung, der auf unsere noch nicht realisierten Träume und Wünsche verweist - und dieser Widerspruch wird nicht aus der Welt zu schaffen sein! Das ist eine mögliche Begründung, die hinter der Parole ‚Meierei bleibt!' stehen kann, auch wenn andere diese Parole vielleicht ganz anders füllen werden.

Vergessen wir auch in der erneut zugespitzten Situation nicht, das über 180 Veranstaltungsorte, Bands, Betriebe, Initiativen und Personen aus Kunst und Kultur im Herbst 2003 die Rücknahme der Kündigungsdrohung und eine politische Bestandsgarantie für die Alte Meierei forderten. Und das mit einer sehr wohl politischen Begründung. Damals schrieben sie - ich zitiere - "Wenn die Stadt Kiel der Alten Meierei auf kaltem, verwaltungsrechtlichem Wege ihren sozialen, kulturellen und politischen Inhalt rauben will, so lohnt es, sich dagegen zu wehren. Denn auch in den heutigen, von Privatisierung, Kommerzialisierung und sozialer Ausgrenzung geprägten Zeiten sind die solidarischen Prinzipien der Alten Meierei immer noch gesellschaftlich verallgemeinerungswürdig: Orte, an denen selbstorganisierte und für alle bezahlbare Kultur ohne jede Gewinnorientierung stattfinden können, sind gut und nicht schlecht!".

Nur mit einem Bündnis an dieser Basis werden wir die Angriffe auf die Meierei stoppen können, nur mit einem gemeinsamen Bezug aufeinander werden wir auch die mögliche Streichung der Fördergelder für die Hansastraße 48 oder die Pumpe bei der Haushaltsverteilung im Herbst diesen Jahres verhindern können.
Wir werden sehen, ob wir durch politischen Druck die in Prinzipienlosigkeit erfahrene Partei der Kosovo-Kriegs-Grünen dazu zwingen, ihre verhältnismäßig positive Haltung zur Meierei in der Stadtpolitik in Anschlag zu bringen, wir werden sehen ob die CDU und die Verwaltung zu vernünftigen Verhandlungen zurückkehren werden. Klar ist, dass nach der Lärmschutzauseinandersetzung des Jahre 2003 und nach den neu vorgetragenen verwaltungsrechtlichen Zumutungen ohne eine politische Bestandsgarantie jedes entgegenkommen unsererseits vollständig irrational ist.

Wenn uns das nicht gelingt, dann freuen wir uns auf einen anstrengenden, streitbaren und bewegten Sommer! Natürlich bietet die Kieler Woche günstige Gelegenheiten für unvorhergesehene und nicht angemeldete Proteste. Natürlich wird der erste Polizeieinsatz bei einem ordnungsrechtlich verbotenen Konzert nicht auf unsere Zustimmung, sondern auf unsere energische Ablehnung stoßen. Natürlich werden sich Leute finden, die nach einer etwaigen Versiegelung der Veranstaltungsräumlichkeiten der Alten Meierei diese in aller Selbstverständlichkeit und ohne irgendeinen Antrag wieder zugänglich machen werden.

Es ist unser voller Ernst:

Unkonventionell lebt es sich besser!

Alte Meierei bleibt!