Noch nicht beendet:

Tarifkampf bei den Druckern

Im Tarifkampf in der Druckindustrie wird sich Mitte Juni entscheiden, ob es nach den vielen Warnstreiks auch zu regulären Arbeitskämpfen kommen wird, oder ob (wieder einmal) "in letzter Minute" eine Einigung zwischen Unternehmerverband und ver.di erfolgt. Die Unternehmer wollen vor allem eine unbezahlte Verlängerung der Arbeitszeit durchsetzen und drohen mit Zerstörung des Flächentarifs. Ihr Verhandlungsführer, Wolfgang Pütz, erklärte die Bereitschaft der Unternehmer zu langandauernder Auseinandersetzung. "Wir haben drei Kernforderungen: Erstens brauchen wir Öffnungsklauseln, damit Betriebe die Arbeitszeit verlängern sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld variabel gestalten können. Zweitens brauchen wir klare Regeln für flexiblere Arbeitszeiten, zum Beispiel sollte Samstagsarbeit generell möglich sein. Drittens müssen die Kosten reduziert werden. Hier geht es unter anderem um die Zuschläge. Bei diesen drei Essentials werden wir hart bleiben."

Tausende Kolleginnen und Kollegen haben in den vergangenen Wochen mit Warnstreiks gegen die Unternehmerforderungen protestiert, auch in  schleswig- holsteinischen Betrieben. Am 31. Mai fand in der Hamburger Innenstadt eine Demonstration statt, an der sich etwa 1000 KollegInnen beteiligten. "Tragen wir diesen Kampf um unsere soziale Rechte vor der Tür aus. Wenn sich heute nichts bewegt, ist Urabstimmung die einzige Antwort" - so formulierte ein Kollege von Broschek die Stimmung vieler TeilnehmerInnen.

"Wir werden keine Arbeitszeit-Verlängerung akzeptieren, die dazu führt, dass Arbeitsplätze vernichtet werden." Das erklärte Frank Werneke für die Gewerkschaft ver.di gegenüber der "Frankfurter Rundschau". (Bitte nicht vergessen, dass jede Arbeitszeitverlängerung Arbeitsplatzvernichtung bedeutet!)

Leider gibt es bei ver.di durchaus auch Überlegungen, bei "betrieblichen Notlagen" in Einzelfällen eine Verlängerung der Arbeitszeit zuzulassen - wenn die  Gewerk- schaft in die Beschlussfassung eingebunden wird, die Unternehmer diese Maßnahme also nicht einfach anordnen, sondern die Gewerkschaft eine entsprechende Verletzung des Flächentarifs mit unterschreiben darf. Hier ein aktuelles Beispiel aus der Papierverarbeitung, in der auch über den Manteltarif verhandelt wird, in der allerdings bereits für den 20. bis 24. Juni die Urabstimmung über Streikmaßnahmen eingeleitet wurde:

"Konflikt Arbeitszeit: ver.di hat zuletzt sogar eine Lösungsmöglichkeit bei der Arbeitszeitfrage eingebracht: Zusätzliche Arbeitzeit bei zwingenden wirtschaftlichen Gründen - aber nur, wenn die Beteiligung und Zustimmung der Gewerkschaft vereinbart ist, die Arbeitszeit bezahlt wird und es eine absolut verlässliche  Be- schäftigungssicherung gibt. Auch dieser Versuch einer Lösung wurde von den Arbeitgebern abgewiesen. Sie wollen eine Öffnungsklausel für eine betriebliche Spielwiese, um die Arbeitszeit ohne Schutz durch Tarifvertrag und Gewerkschaft verlängern zu können." ("gegendruck" 9/2005)

Auch Frank Werneke sagte auf die Frage der FR, "Können Sie sich eine Öffnungsklausel vorstellen, bei der ein Betrieb nur dann Mehrarbeit beschließen kann, wenn Gewerkschaft und Arbeitgeber-Verband zustimmen?" Folgendes: "Die Arbeitgeber haben mehrfach am Verhandlungstisch erklärt, dass sie diesen Weg nicht mit uns gehen wollen. Sie haben etwas ganz anders vorgeschlagen: Wenn eine Unternehmensleitung Arbeitzeit-Verlängerung will, und der Betriebsrat das ablehnt, soll die Sache an eine Einigungsstelle gehen. Der Betriebsrat müsste sich dann dem Spruch der Einigungsstelle unterwerfen. Mit Freiwilligkeit hätte das nichts zu tun."
Erfreulich viel eindeutiger waren die Worte des 2. Vorsitzenden von ver.di Nord, Ernst Heilmann, auf der Hamburger Kundgebung. Er erklärte unter anderem:
"Unsere Geduld ist zu Ende. Wir werden den uns aufgezwungenen Tarifkonflikt annehmen müssen. Und ich sage voraus, wenn wir geschlossen und solidarisch handeln, werden wir ihn auch erfolgreich führen. (...) Es vergeht wohl kein Tag und keine Talkshow in diesem Lande, so nicht eine große Koalition aus Politik und Unternehmerverbänden die angeblichen selbstheilenden Wachstumskräfte des Marktes beschwört und neue Opfer von den abhängig Beschäftigten verlangt. Schulterklopfend haben sich Kanzler und Kapitalvertreter auf dem Verbandstag des BDA erneut die Richtigkeit der Agenda-Politik versichert. Einer Politik ..., deren Auswirkungen die Massenarbeitslosigkeit nicht beseitigen wird. Einer Politik, die die Spaltung dieser Gesellschaft mit nunmehr 5,2 Mio. Arbeitslosen nur noch weiter vertiefen wird.

Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Agenda 2010 macht dies Land nicht zukunftsfest, sondern trägt zur sozialen Destabilisierung bei. Der Kern dieser Reform besteht in einer drastischen Umverteilung von unten nach oben. (...) Was hier an Politikkonzept versucht wird, auch unter der Formel des so genannten aktivierenden Staates, das wäre das sichere Ende der Gewerkschaften - würden wir es so teilen, wir machten uns durch die Anerkennung des shareholder value, des Eigennutzes, der Vereinzelung und der Entsolidarisierung selbst überflüssig. Das kann nun allen Ernstes nicht unser Weg sein, denn es steht ja längst fest, dass diese Politik gescheitert ist. Auch mit immer neuen Zugeständnissen an die Unternehmer entstehen eben keine neuen Arbeits- und keine neuen Ausbildungsplätze. Wie wohl von den Regierenden flehentlich erhofft. Statt dessen triumphiert die Ökonomie. Sie durchdringt mit Macht alle gesellschaftlichen Bereich und zerstört die letzen Bindungen dieser Gesellschaft. Um so wichtiger wird es für die Gewerkschaften, sich im Bündnis mit anderen gesellschaftlichen Kräften diesen Entwicklungen entgegen zu stellen. (...)

Das Motto: "Zurück in die Zukunft, zurück zur generellen 40 Stunden-Woche für Deutschland, oder darf es noch ein bisschen mehr sein?" Wie bei den Beamten, so für den gesamten öffentlichen Dienst zur 42-Stunden-Woche. Und schon fordern die Propheten der Wirtschaftsinstitute die 45- oder gar 50 Stunden-Woche, ohne Lohnausgleich, versteht sich.

- Die Lebensarbeitszeit müsse verlängert werden,

- der Urlaub müsse gekürzt werden,

- die Feiertage seien überflüssig.

Es scheint kein Halten mehr zugeben. Und das bei 5,2 Mio. Arbeitslosen. Welch ein Irrsinn. (...)

In Hessen fallen durch die Arbeitszeitverlängerung 7.500 Arbeitsplätze weg, in Bayern sogar 7.800. Und das rechnen die Ministerpräsidenten der Öffentlichkeit sogar ganz ungeniert vor.

Die 42-Stunden-Woche im gesamten öffentlichen Dienst würde zu einem Abbau von 150.000 Arbeitsplätzen führen. Auf die gesamte Volkswirtschaft umgesetzt wäre das der Verlust von mehreren 100.000 Arbeitsplätzen.

Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, Arbeitszeitverlängerung bei über 5 Mio. Arbeitslosen, das ist das Falscheste, was man zurzeit tun kann. Dazu werden wir in keinem Fall unsere Zustimmung geben können. Man kann nicht die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Munde führen und praktisch das Gegenteil tun.

Somit steht ver.di in den Tarifauseinandersetzungen des Frühjahrs vor Kraftproben völlig neuen Ausmaßes. Die Unternehmerverbände in den Branchen  Papier- verarbeitung, Druckindustrie, Handel und nun auch in den Bundesländern, versuchen Belegschaften und Gewerkschaft durch unannehmbare Vorbedingungen zu erpressen. Die Verlängerung der Wochenarbeitszeiten um bis zu 5 Stunden, die Streichung von Schichtzuschlägen, von Weihnachts- und Urlaubsgeld, die grenzen- lose Flexibilität der Arbeitszeiten auch an Wochenenden, der Wegfall des freien Samstages, der Wegfall von Maschinenbesetzung oder des gesamten  Mantel- tarifvertrages wie in der Druckindustrie drücken nur eines aus: Friss, Vogel, oder stirb. Das wollen und können wir nicht akzeptieren."

Den KollegInnen in der Druckindustrie und der Papierverarbeitung gehört unsere Solidarität.

(D.L.)