McPlanet.com diskutierte über Umwelt und Globalisierung:

Gemischte Bilanz

Die Veranstalter waren höchst zufrieden. Rund 1.500 meist junge Teilnehmer diskutierten vom 3. bis zum 5. Juni auf dem zweiten McPlanet.com-Kongress in der Hamburger Universität. Eingeladen hatten die Globalisierungskritiker von Attac, der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und Greenpeace. Die grünennahe Heinrich-Böll-Stiftung sowie das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie hatten an der Gestaltung des Programms mitgewirkt. Das war unschwer zu  über- sehen, und verdeutlichte in gewisser Weise auch das Dilemma, vor dem die etablierten Teile der Umweltbewegung steht: Die Verhältnisse verlangen nach mehr Radikalität, aber man wird nicht so richtig seine emotionale Bindung an das Milieu der grünen Regierungspartei los.

Schon das Kongressthema „Konsum. Globalisierung. Umwelt“ wirkte in Zeiten von „Hartz IV“ etwas deplaciert. Zwar sollte es auch um die „soziale  Verant- wortung“ gehen, aber eben nur „Verantwortung“ und nicht „Interessen“. Die soziale Frage kam also bestenfalls in der Außensicht vor. Das äußerte sich denn so, dass Yang Ailun von Greenpeace China, die auf einem Podium mit drei saturierten europäischen Männern und einer Chilenin diskutieren musste, wie viel Chinesen konsumieren dürfen, aus dem Publikum gefragt wurde, ob es denn stimme, dass in China Arbeiterinnen nicht auf die Toilette gehen dürften. Ob man denn da überhaupt noch Waren aus der Volksrepublik kaufen könne. Dass man ähnliche Arbeitsbedingungen inzwischen auch in deutschen oder französischen  Billig- Supermärkten finden kann, war nicht Gegenstand des Kongresses. Die sozialpolitischen Aktiven von Attac fehlten gänzlich im Publikum, das im vom Umfeld der beteiligten Umweltverbände geprägt war. Gewerkschafter und Mitglieder sozialer Initiativen suchte man im Publikum, wie auch auf den Podien vergebens.

Linke Parteien übrigens auch: Eingeladen hatte man nur SPD und Grüne, gekommen war lediglich Michaele Hustedt, die für die Grünen im Bundestag sitzt, und dem staunenden Zuhörern erklärte, dass „wir einmal reiche Rentner sein werden“. Protest erntete sie dafür nicht. Und warum ausgerechnet die Vertreterin einer Regierungspartei auf ein Podium gesetzt wird, auf dem man über die Strategien der Umweltbewegung diskutiert, wird ewig das Geheimnis der Veranstalter bleiben.
Lichtblicke der Veranstaltung waren hingegen einige Referentinnen aus den Ländern des Südens. Sunita Narein vom Centre for Science and Environment in Neu Delhi beschrieb zum Beispiel ihren Kampf gegen Pepsi Cola und Coca-Cola. Die auf dem Subkontinent hergestellten Limonaden dieser beiden Multis, die den indischen Markt beherrschen, enthalten Pestizidrückstände, wie das Centre aufdeckte, die Konzerne aber lange Zeit leugneten. Statt dessen versuchte man die Kritiker vor Gericht zum Schweigen zu bringen. Allerdings vergeblich. Der freie Markt, so Nareins Schlussfolgerung aus zahlreichen Auseinandersetzungen dieser und ähnlicher Art, nutze niemals den Armen und Ausgegrenzten; mehr internationale Regulierung und Demokratie müsse her.

Einsichten, die in Deutschland, wo Organisationen wie Greenpeace und BUND viele Jahre auf die Durchsetzung marktkonformer Steuerungsinstrumente gesetzt hatten, noch immer nicht zum Konsens der Umweltbewegung gehören. Verbunden mit der Regierungsnähe eines Teils der Apparate dieser Gruppen führt das auch zu einem indifferenten Verhältnis zum Sozialabbau, das Sven Giegold von Attac im Abschlussplenum beklagte. Unter CDU und FDP würde jedoch auch die Natur zum „Hartz IV“-Empfänger. Nur gemeinsam könne man sich gegen die zu erwartenden Angriffe der vermutlich nächsten Regierung wehren. Die im Herbst  an- stehenden Castor-Transporte nach Gorleben, die bundesweiten „Feldbefreiungsaktionen“ gegen Gentechnik am 31. Juli und vor allem die Bundestagswahlen seien dafür eine gute Gelegenheit. Vermutlich wird man manchen Teilnehmer im Juli auf den Feldern oder später in Gorleben sehen. Doch Giegolds Mitdiskuntanten von BUND und Greenpeace schwiegen sich zu diesen konkreten Aufforderungen lieber aus, und manifestierten damit eindrücklich die gemischte Bilanz, die nach diesem Kongress bleibt.

(wop)