Innenministerkonferenz:

Bleiberecht verweigert

Ende Juni tagten die Innenminister von Bund und Ländern in Stuttgart und hatten auch verschiedene Aspekte der Flüchtlingspolitik auf der Tagesordnung. Wir sprachen mit dem Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein, Martin Link, über die Ergebnisse der Konferenz. (wop)

LinX: Die Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern, die IMK, hat den Vorschlag von Bundesinnenminister Otto Schily abgelehnt, ein Bleiberecht für langjährig Geduldete zu beschließen. Was ist davon zu halten?

Martin Link (M.L.): Otto Schily hatte sich überraschend für eine Regelung für Minderjährige und ihr Familien stark gemacht, das heißt, für Kinder und Jugendliche, die schon lange hier leben, die hier aufgewachsen und weitgehend sozialisiert worden sind und zum Teil das Herkunftsland nicht einmal mehr kennen. Die sollten, nach dem sie viele Jahre nur mit einer Duldung haben leben können, ein Bleiberecht bekommen. Duldungen werden immer nur für einen kurzen Zeitraum ausgesprochen, regelmäßig für wenige Monate, oft nur für Wochen, manchmal nur für einige Tage. Die etwa 200.000 Betroffenen bundesweit, 4.000 davon in Schleswig-Holstein, leben also in ständiger Ungewissheit und das meist über viele Jahre. Darunter sind viele Menschen mit Kindern, die hier geboren wurden oder bei der Einreise sehr klein waren. Insofern war Schilys Vorstoß sehr hilfreich, doch leider wurde er abgelehnt.

LinX: Weshalb?

M.L.: Die CDU-Länder haben Schily vorgeworfen, er wolle Wahlkampf betreiben und die rigide Abschiebepraxis der schwarzen Länder vorführen. Deswegen war kein Konsens herzustellen. Die IMK entscheidet über derlei Fragen nur im Konsens.

LinX: Was wird dieser Beschluss in der Praxis heißen?

M.L.: Vor allem muss unsere Bleiberechtskampagne weitergehen, die wir seit zwei Jahren zum Teil recht lautstark landes- und bundesweit in  Bündnissen betreiben. Vielleicht haben wir dann auf einer der nächsten IMKs, die nicht mehr unter Wahlkampfdruck stünde, ein konstruktiveres Entscheidungsklima. In den vergangenen Monaten ist nämlich die Phalanx der konservativ regierten Länder aufgeweicht. Das liegt unter anderem daran, dass sich zunehmend Landräte und Bürgermeister kritisch äußern und sich für eine Bleiberechtsregelung erwärmen. Sie haben nämlich die Einzelfälle vor Augen, die vielfach gut integrierten Menschen, die hier arbeiten, deren Kinder hier aufgewachsen sind und oft nicht einmal mehr die Sprache der Herkunftsländer richtig beherrschen. Die Bürgermeister und Landräte bekommen zu spüren, dass der örtlichen Bevölkerung nicht zu vermitteln ist, dass solche Familien abgeschoben werden sollen. Wir hoffen also, dass das Thema konstruktiver diskutiert werden kann, wenn der Wahlkampf vorüber ist.

LinX: Hätten die Landräte bzw. die Bürgermeister kreisfreier Städte nicht schon jetzt die Möglichkeit, den Betroffenen einen besser gesicherten Aufenthaltsstatus zu geben?

M.L.: Nach dem Zuwanderungsgesetz können sie im Einzelfall prüfen, ob es besondere Härten gibt, die ein Bleiberecht rechtfertigen. Das Problem ist, dass dies Kann-Regelungen sind. Durch die Ablehnung des Bleiberechts durch die Innenminister könnten sich die Ausländerbehörden praktisch dazu aufgefordert fühlen, ihren Ermessensspielraum immer restriktiver auszulegen. Wir befürchten daher, dass es künftig zu mehr spektakulären Abschiebefällen kommt, wie jüngst in Norderstedt bei Hamburg.

LinX: Was ist da passiert?

M.L.: Ende Mai sind dort morgens um vier Uhr Polizisten mit einem Vertreter der Ausländerbehörde unangekündigt in eine Flüchtlingsunterkunft gekommen, um die sechsköpfige Familie Özdemir in die Türkei abzuschieben. Das führte dazu, dass Frau Özdemir zusammenbrach. Wie der Ausländerbehörde bekannt war, ist sie schwer gewalttraumatisiert, und hatte deswegen gerade eine vom Sozialamt finanzierte Behandlung begonnen. Trotzdem wurde diese schwerkranke Frau von ihrer Familie getrennt und ohne genügend Gepäck, ohne ihre Medikamente und nur unzureichend bekleidet nach Istanbul abgeschoben. Ihr 16jähriger Sohn, der zunächst abgetaucht war, und ihr Mann, den dessen Hausarzt für selbstmordgefährdet hält, wurden letzte Woche Freitag ebenfalls abgeschoben. Die Ausländerbehörde hätte rechtlich ohne Weiteres die Möglichkeit gehabt, die Ausweisung zu verschieben, zum einen, wegen der Therapie von Frau Özdemir, zum anderen, weil der Hauptschulabschluss des ältesten Sohnes absehbar bevor stand.
 
 

Ergebnisse der Innenministerkonferenz:

Abschiebungen in den Kosovo, ...

Der Bundesinnenminister wird von der IMK aufgefordert, mit der Kolonial- pardon UN-Ver- waltung im Kosovo über die Abschiebung von Angehörigen diverser Minderheitengruppen in den Kosovo zu verhandeln. Zwar ist die politische und wirtschaftliche Lage dort noch immer sehr desaströs und eine Friedenslösung noch nicht in Sicht. Aber auch die wiederholten Ausschreitungen durch Gruppen der albanischen Mehrheitsbevölkerung gegen Minderheiten bringen die Innenminister nicht davon ab, Roma, kosovarische Türken und andere abzu- schieben. "Ein Bleiberecht wäre ein falsches Signal", heißt es in einer Mitteilung des baden- württembergischen Innenministeriums, "und könnte den gesamten Rückführungsprozess zum Stillstand bringen. Befürworter einer Bleiberechtsregelung sollten bedenken, dass diese die ethnischen Vertreibungen im Kosovo zementieren würden und so das Völkerrecht unterliefen." Mit anderen Worten: Wir helfen erst den albanischen Nationalisten mit einem völkerrechts- widrigen Krieg bei der Vertreibung der Serben, und schicken ihnen dann diejenigen Opfer, derer wir habhaft werden können zurück.

nach Afghanistan ...

Die Innenministerkonferenz sei sich einig, dass jetzt die Vorraussetzungen für den Beginn der Rückführung nach Afghanistan gegeben seien. "Wer nicht unter die Bleiberechtsregelung falle, müsse ausreisen - sei es freiwillig oder im Wege der Abschiebung. Kriegsminister Struck will im Oktober übrigens das Mandats der Bundeswehr in Afghanistan auf den Norden und Westen ausdehnen lassen, vermutlich nicht gerade zum Erbsen zählen. Den Süden und Osten hält er übrigens selbst für seine Soldaten zu unsicher, vielleicht auch nur für die deutsche Bevölkerung, die erst noch an Kriegstote aus den eigenen Reihen gewöhnt werden muss.

und in den Irak

Mit der Abschiebung in den Irak von Personen, die "schwere Straftaten begangen haben und die Innere Sicherheit gefährden" sollen "so bald wie möglich" begonnen werden. Zwar habe auch die Innenminister mitbekommen, dass Deutschlands verbündete dort noch immer Krieg führen, aber: "Sobald es die Sicherheitslage im Irak zulasse, müsse deshalb mit der Rückkehr begonnen werden."