Kommentar:

Kein Orchideen-Thema

In diesen Tagen, wo keiner mehr sicher ist, ob er nicht vielleicht morgen schon seinen Job verliert und übermorgen bei ALG II angekommen ist, scheint ein Thema ganz in Vergessenheit geraten zu sein: Die Umwelt. Keiner redet mehr von ihr, ganz so, als haben all die Strukturkonservativen aus CDU und SPD doch recht, die wir meinten in den 80er Jahren zurückgelassen zu haben. Unversehens ist in Zeiten großkoalitionärer Verarmungsprogramme – mal ausgesprochen, doch meist unausgesprochen – das Argument vom Widerspruch zwischen Umwelt und Arbeitsplatz wieder da.

Und es ist genauso falsch wie ehedem, nur heutzutage ist das noch erheblich offensichtlicher. Da ist das Husumer Beispiel. Der Hafen soll für den Betrieb von Offshore-Windanlagen ausgebaut werden. Doch die CDU liebt den sauberen Strom nicht. Man hält es eher mit den großen Stromkonzernen und hat sich noch immer nicht von der Atomindustrie verabschiedet. Für Husum folgt aus all dem, dass die Mittel für den Hafenausbau zusammengestrichen wurden. Noch ist unklar, was das für die Entwicklung der Offshore-Windanlagen, die bisher nur auf dem Reißbrett existieren, bedeuten wird. Sicher scheint aber, dass der Schritt der Landesregierung mehrere Hundert Arbeitsplätze in der Region in Frage stellt. Dass der Sozialdemokratische Juniorpartner eine derartige Politik mitträgt, ist nur ein weiteres Steinchen auf dem Scherbenhaufen dieser Partei.

Offensichtlich hat sich auch nach bald 30 Jahren Umweltbewegung noch nicht in alle Ecken herumgesprochen, dass Umweltschutz kein Orchideen-Thema ist. Es geht nicht um das Hobby von ein paar Ökos, die die eine oder andere Pflanzenart erhalten wollen. Es geht um die Gesundheit der Bevölkerung, die durch die  ver- schiedensten Fehlentwicklungen in der Industrie-, Verkehrs- und Landwirtschaftspolitik gefährdet wird. Und es geht um die Lebensgrundlage für zukünftige Generationen, die durch die Art und Weise, wie die moderne Industriegesellschaft wirtschaftet, gefährdet ist. Diese Wirtschaftsweise umzustellen, würde eine Menge Arbeitsplätze schaffen. Zum Beispiel in der Bauwirtschaft durch ein Großprogramm zur Wärmeisolierung der Gebäude, das viel Energie und den Mietern viel Geld sparen könnte. Deshalb ist es eigentlich in mehrfacher Hinsicht naheliegend, dass sich die sozialen Bewegungen, die gegen Arbeitslosigkeit und Verarmung kämpfen, auch solche Forderungen auf die Fahnen schreiben.

(wop)