Kommentar:

Umverteilung

Um zwei Prozentpunkte will Angela Merkel, sollte sie am 18. September eine schwarz-gelbe Mehrheit bekommen, die Mehrwertsteuer abheben. Im Gegenzug sollen die Abgaben für die Sozialversicherungen gesenkt werden, und zwar sowohl der Anteil der Unternehmer, als auch der  Be- schäftigten. Die Christdemokraten versuchen den Anschein zu erwecken, als sei das Ganze ein Nullsummen-Spiel, doch das täuscht. Für all jene, die keine Sozialabgaben leisten - Rentner, Studenten, ALG-II-Empfänger etc. - bleibt weniger im Portemonnaie. Die Vielleicht-Kanzlerin erweckt nicht einmal den Anschein, als wolle sie deren Bezüge entsprechend aufbessern. Die Mehrwertsteuer-Erhöhung würde also ein weiteres Projekt der Umverteilung von unten nach oben. Die Ersparnisse beim "Arbeitgeber"-Anteil würden von der besagten Gruppe mit meist recht magerem Einkommen getragen.

Und auch die andere Seite der Rechnung wird mit ziemlicher Sicherheit nicht aufgehen. Angeblich will Merkel die Steuererhöhung vollständig in die Sozialkassen fließen lassen. Das entspräche den Vorstellungen jener schleswig-holsteinischen Parteien (SSW, Grüne SPD), die mit dem entsprechenden Steuer-Abgaben-Modell in Skandinavien liebäugeln. Dort werden die Sozialkassen vorwiegend durch Steuern finanziert, weshalb dortige Preise für uns meist unerschwinglich erscheinen. Im Gegenzug sind allerdings die Nettolöhne höher, da auf diese weniger Sozialabgaben gezahlt werden. Doch das Modell stammt aus vor-neoliberalen Zeiten. Im Kleingedruckten der christdemokratischen Regierungsagenda ist bereits zu lesen, dass die Mehrwertsteuer-Erhöhung zum Stopfen diverser Haushaltslöcher  eingesetzt werden soll.

Unterm Strich hätten wir also: 1. Höhere Verbraucherpreise. 2. Weniger Geld in den Kassen der Sozialversicherungen und damit weiteren Leistungsabbau. 3. Eine vollends abgewürgte Binnenkonjunktur; soll heißen: statt dem versprochenen Mehr eher weniger Arbeitsplätze. Letzteres treibt inzwischen auch einigen nicht vollends neoliberal verblödeten Ökonomen Sorgenfalten auf die Stirn: Denn während sich die - im Kreise der Bourgeoisie tonangebende - Exportindustrie auf dem  Weltmarkt dumm und dämlich verdient, bewegen sich die hiesigen Verhältnisse inzwischen am Rande der Depression. Deshalb bröckelt an dieser Stelle der herrschende Konsens und soziale Proteste hätten eine ideale Angriffsfläche, um der nächsten Bundesregierung in dieser Frage eine erste Niederlage zu bereiten.

(wop)