LabourNet durchsucht:

Haltlose Vorwürfe

Wie in der letzen Ausgabe berichtet hat Anfang Juli die Staatsanwaltschaft die Räume von LabourNet Germany in Bochum durchsucht. LabourNet ist ein seit Jahren beliebter Internet-Treffpunkt für Betriebs-Linke und Aktive aus sozialen Initiativen. Meist tagesaktuell wird über betriebliche und außerbetriebliche Kämpfe der Lohnempfänger und Erwerbslosen in Deutschland und dem Rest der Welt informiert. Wir sprachen mit LabourNet-Redakteurin Mag Wompel über die Hintergründe der staatsanwaltschaftlichen Aktion.  (wop)

LinX: Die Staatsanwaltschaft hat die Redaktionsräume von LabourNet durchsucht und zahlreiche Materialien beschlagnahmt. Welch hochverräterischer Tat werden Sie verdächtigt, dass ein derart massiver Eingriff in die Pressefreiheit gerechtfertigt sein könnte?

Mag Wompel: Mitte Dezember 2004 wurde in Bochum und Köln ein anonymes Flugblatt verteilt, unterzeichnet von einem "Kommando Paul Lafargue". Dabei handelte es sich um ein fingiertes Schreiben der Bundesagentur für Arbeit an alle Haushalte, das in offensichtlich satirischer Absicht unterstellen wollte, jeder Haushalt könne einen Ein-Euro-Job schaffen, zum Beispiel in der Kinderbetreuung oder zum Putzen. Man solle sich bei Bedarf an die Bundesagentur für Arbeit wenden. Daraufhin hat es von der Bochumer Agentur für Arbeit eine Anzeige gegen Unbekannt wegen Urkundenfälschung gegeben. Einige Tage nach dem das Flugblatt verteilt wurde hat es, wie wir aus unseren Akten erfuhren, ein Bekennerschreiben gegeben, auf dem unter der Signatur "Kommando Paul Lafargue" ein Verweis auf weitere Informationen auf der Internetseite der Agenturschluss-Kampagne www.labournet.de/agenturschluss stand. Diese ist, wie man an der Adresse sieht, bei uns angesiedelt. Die Kampagne hatte sich im Dezember und Januar gegen die Einführung des Arbeitslosengeldes II gerichtet. Jedenfalls handelte es sich um nichts weiter als einen Verweis. Das ist ungefähr so, als wenn jemand ein nicht genehmes Flugblatt verteilt, auf dem auf Informationen auf einer Webseite des WDR hingewiesen wird, und die Staatsanwaltschaft dies zum Anlass nimmt, die Räume des Rundfunksenders zu durchsuchen und sämtliche journalistische Korrespondenz zu beschlagnahmen.

LinX: Trotz dieser äußerst dürftigen Beweislage wird das Verfahren gegen LabourNet weitergeführt?

M.W.: Ja. Und wie wir nach der Akteneinsicht wissen, hat man uns ein halbes Jahr lang ausgeforscht, ohne uns auch nur einmal zu der Sache zu befragen. Erst nach dem ich dann im Urlaub war, hat man in meine Wohnung, in der sich auch die Redaktionsräume befinden, regelrecht eingebrochen, so empfinde ich es unabhängig von der angeblichen Rechtslage. Ebenso wurde bei einem weiteren Redaktionskollegen sowie dem Vorsitzenden des Trägervereins des LabourNet Germany morgens um 6.30 Uhr eine Hausdurchsuchung durchgeführt.

LinX: Was sagt man denn bei der Deutschen Journalisten Union, die zu ver.di gehört, gegen diesen Angriff auf die Pressefreiheit?

M.W.: Deren Bundesvorstand hat sich mit uns solidarisch erklärt und heftig gegen das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Bochum protestiert. Auch sonst haben wir sehr viel Solidarität bekommen. Vom Komitee für Grundrechte und Demokratie zum Beispiel, von zahlreichen Professoren und auch von vielen Gruppen und Personen aus dem Ausland. Einen Teil dieser Zuschriften, etwa 120, kann man auf unserer Internetseite einsehen. Die Staatsanwaltschaft scheint das bisher nicht zu beeindrucken, weshalb wir bitten, uns weiter mit Protest- und Solidaritätsschreiben zu unterstützen.

Anfang August, nach dem das nebenstehende Interview geführt wurde, hat die LabourNet-Redaktion endlich ihre Ordner mit ihrer Korrespondenz  wiederbe- kommen. Eine Überprüfung der Unterlagen ergab, berichten die Redakteure auf ihrer Internet- seite, dass sämtliche Heftklammern fehlten, was darauf hindeutet, dass alles kopiert wurde. In den Dokumenten befand sich u.a. sensible Informantenpost – unter anderem auch zur Kampagne „Schwarze Schafe“, die überhaupt nichts mit den gegen uns erhobenen Vorwürfen zu tun hat. Bei der genannten Kampagne geht es um die Erfassung von Ein-Euro-Jobs und deren  Arbeitsbe- dingungen.  „Wir werden wohl nie wissen, an wen welches Material weiter gegeben wurde“, meinte Mag Wompel dazu. Weiter beschlagnahmt bleiben zahlreiche Disketten und CDs, darunter viele, mit privaten Daten eines der LabourNet-Redakteure. (wop)