Kommentar:

Klassenkampf

Unglaubliche Szenen haben sich in den letzten Woche an der Südküste der USA abgespielt. Mit mehreren Tagen Vorwarnzeit, traf einer der stärksten je beobachteten Hurrikane eine Region, in der in den Jahren zuvor der Katastrophenschutz systematisch vernachlässigt worden war. Und trotz des heraufziehenden Unheils wurden in der Mississippi Metropole rund 100.000 arme und kranke Bürger ihrem Schicksal überlassen. Wer kein Auto hatte oder kein Geld, um sich im sicheren Norden in einem Hotel einzumieten, hatte Pech gehabt: Der wurde zu Zehntausenden in ein vollkommen überfülltes Stadium gepfercht, in dem schon bald Licht, Toiletten und Klimaanlagen versagten. Fünf Tage dauerte es, bis die Menschen aus dieser Hölle befreit wurden, für etwa zwei Tage hatte man   Trinkwasser- vor- räte angelegt. Nur einige Dutzend Kilometer weiter nördlich wurden hingegen LKW-Ladungen mit Wasserflaschen, die Bürger spontan organisiert hatten, über einen Tag von der Katastrophenbehörde FEMA aufgehalten, weil das richtige Formular fehlte. (Nach einem Bericht der New York Times.) Unterdessen dauerte es rund sieben Tage von der ersten Anforderung von Bussen, die die zuständige Gouverneurin Louisianas bereits nach den Warnungen der Meteorologen an die Regierung gestellt hatte, bis diese endlich in New Orleans eintrafen und die überlebenden in Sicherheit brachten. Für etliche Tausend Menschen kamen sie zu sät. Allein in den Krankenhäusern starben einige hundert Menschen. Nicht wenige von ihnen verdursteten! In einem der reichsten Länder der Welt. Wären die Mittel für die Erneuerung der Deiche in New Orleans nicht von der Bush-Regierung auf ein Minimum reduziert worden und hätte es so etwas wie ein funktionierendes Katastrophenschutzwesen gegeben, dann würden mindestens 95 Prozent der Opfer noch leben. Mit einem Paukenschlag erinnert der Hurrikan „Katrina“ an den Zustand dieser Welt: Leben und Gesundheit der Armen, das heißt derjenigen, die den Reichtum dieser Welt mit ihrer Arbeit erschaffen, interessiert die Mächtigen in Regierung und Konzernetagen nicht für fünf Cent. Auch bei der großen Sturmflut 1962 starben die meisten der über 300 Hamburger Todesopfer im Arbeiterstadtteil Wilhelmsburg, dessen Deiche 43 Jahre später noch immer unzureichend sind. Da sage noch mal einer, es gebe keinen Klassenkampf mehr. (wop)