Discounter unter Beschuss:

Zum Beispiel Bananen

Die Vereinigte Dientsleitungsgewerkschaft ver.di hat gegen den Discounter Lidl eine Kampagne wegen dessen antigewerkschaftlicher Politik gestartet. Unter anderem gibt es massive Behinderungen beim Aufbau von Betriebsräten. Auch die Globalisierungskritiker von ATTAC beteiligen sich . Wir sprachen mit Jutta Sundermann, die bei ATTAC in der “Lidl-Kampagne“ arbeitet, über die Motive. (wop)
 
 

LinX: Sie haben am Freitag vergangener Woche am Rande der ATTAC-Sommerakademie in Göttingen mit über 100 Leuten vor einer Filiale des Discounters Lidl protestiert. Was war der Anlaß?

Jutta Sundermann (J.S.): Für uns war das der Auftakt einer ATTAC-Kapagne gegen die Politik des Konzerns. Wir starten die Kampagne, weil Lidl ein Trendsetter für Sozial-, Umwelt- und Preisdumping ist. Das betreiben zwar alle Discounter, aber Lidl gelingt es immer wieder den nächsten, noch schärferen Schritt zu gehen. Lidl ist billig auf Kosten der Menschen, die die Waren produzieren, transportieren und in den Filialen verkaufen.

LinX: Können Sie ein Beispiel dafür nennen?

J.S.: Zum Beispiel die Bananen. Selbst auf den Plantagen zum Beispiel in Ecuador spürt man inzwischen den Einfluß der Discounter. Weil sie inzwischen so große Mengen abnehmen, können sie die Preise an der Quelle immer weiter drücken. Insbesondere Lidl wechselt gerne die Lieferanten, um diese gegeneinander auszuspielen. Die Zeche bezahlen die Plantagenarbeiter mit niedrigeren Löhnen.

LinX: Wie haben Kunden und Beschäftigte auf Ihre Aktion reagiert?

J.S.: Einige Kunden waren sehr interessiert und hatten bereits von der Kritik an Lidl gehört. Andere hatten keine Zeit für Gespräche. Einige meinten auch, sie hätten nur wenig Geld, und müßten daher bei Lidl einkaufen. Mit den Verkäuferinnen konnten wir kaum sprechen, denn die stehen unter einem enormen Arbeitsdruck. Trotzdem waren das nette Kontakte; wir haben an die Mitarbeiterinnen kleine Blumensträuße verteilt.

LinX: Was sagen Sie den Leuten, die auf ihr schmales Portemonaie verweisen und wohl tatsächlich kaum eine andere Wahl haben?

J.S.: Wir machen mit der Kampagne deutlich, daß es nicht darum geht, die Menschen zu verurteilen, die billig einkaufen müssen. Wir rufen dazu auf, unsere Konsumentenmacht zu nutzen. Was Lidl treibt, geht zu weit. Der Trend, den Lidl vorantreibt, geht zu Lasten der Menschen, die heute schon wenig Geld haben. Die Discounter setzten auf hohe Umsätze mit extrem wenig Personal. Nach Zahlen der Gewerkschaft ver.di verschwinden für einen – besonders schlecht bezahlten – Arbeitsplatz bei Lidl drei im übrigen Einzelhandel, der vom Discounter verdrängt wird. Dieser Teufelskreis muß durchbrochen werden.

LinX: Im letzten Jahr haben Milchbauern gegen die Aufkaufpolitik von Lidl und Aldi protestiert. Gibt es eine Zusammenarbeit?

J.S.: Ja, wir haben einen Austausch mit der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft, die sehr an einer Zusammenarbeit interessiert ist. Auch mit dem Deutschen Bauernverband gibt es Kontakt. Im letzten Frühjahr protestierten Hunderte von Bauern und Bäuerinnen gegen dieses Preisdumping – aus großen und kleinen Betriebe, organisiert im Bauernverband und der ABL. Die Discounter wollten den Bauern über die Molkereien Preise aufzwingen, die weit unter deren Herstellungskosten lagen. Mit ihren Protesten – unter anderem wurde Milch vor einigen Filialen ausgeschüttet – konnten die Bauern die Discounter teilweise zum Einlenken zwingen.

LinX: Bei so vielen verschiedenen Interessensgruppen, die etwas gegen die Politik der Discounter haben, bietet es sich an, gemeinsam vorzugehen. Wird es Aktionen von Gewerkschaftern, Bauern und den Globalisierungskritikern von ATTAC geben?

J.S.: Bestimmt. Unsere Kampagne funktioniert auf verschiedenen Ebenen. Es haben sich eine ganze Reihe ATTAC-Gruppen gemeldet, die sich beteiligen wollen. Viele von diesen haben bereits Landwirtinnen und Landwirte sowie Gewerkschaftsaktivisten in ihrer Umgebung angesprochen, um gemeinsame  Informationsver- anstaltungen aber auch Proteste zu organisieren. Mit der Gewerkschaft ver.di ist die Zusammenarbeit besonders erfreulich. ver.di hat ihrerseits schon mit einer Kampagne angefangen, die vor allem an die Arbeitsbedingung bei Lidl anknüpft. Ein Ziel ist es, in den Lidl-Filialen Betriebsräte einzurichten. Es gibt 2600 Lidl-Filialen in Deutschland, und nur in acht davon gibt es einen Betriebsrat. Erst kürzlich gab es in einer Münchener Filiale einen Fall, bei dem einer Mitarbeiterin, die versucht hatte, einen Betriebsrat aufzubauen, unter einem Vorwand gekündigt wurde.