Anti-Lager-Tour des NoLager-Netzwerkes:

“Isolation nirgends für Niemanden”

Über 500 Menschen beteiligten sich am 24. September an der Auftaktdemonstration der dritten Anti-Lager-Tour des NoLager-Netzwerkes. Die Demonstration begann um 12 Uhr am Bahnhof in Hesepe mit Redebeiträgen des Komitees für Grundrechte und Demokratie und des No-Lager-Netzwerkes. Begleitet war dieser Auftakt von bunter Kultur und dem Aufzug von StelzenläuferInnen, die verschiedene fantasievolle Reittiere darstellten. Der Demonstrationszug setzte sich um 13 Uhr in Bewegung, an ihm nahmen auch ca. 50 BewohnerInnen des Abschiebelagers in Bramsche-Hesepe teil. Diese wurden besonders von der Demonstration begrüßt, denn da wieder einmal den TeilnehmerInnen der Aktion verweigert wurde, das Lager zu betreten, um so mit Flüchtlingen in Kontakt zu treten, musste die Isolation dadurch durchbrochen werden, dass die Flüchtlinge heraus kommen aus dem Lager, in dem sie sich sonst ausgegrenzt befinden.
 
 

Das Komitee für Grundrechte und Demokratie, welches in Kooperation mit dem NoLager-Netzwerk zu dieser Demonstration aufgerufen hatte, forderte eine öffentliche Inspektion des Lagers, welche jedoch von der Lagerleitung untersagt wurde. Stattdessen wurde das Scheinangebot gemacht, dass eine kleine Delegation unter Führung der Lagerleitung die Einrichtung betreten darf, jedoch nicht den Bereich, in dem die Flüchtlinge untergebracht sind. Damit wäre eine Öffentlichkeit nicht gewährleistet gewesen, so dass dieses Angebot abgelehnt wurde.

Trotz dieser Vorgaben ist es gelungen, dass BewohnerInnen des Lagers Bramsche-Hesepe, gemeinsam mit den AktivistInnen des Grundrechtekomitees und des NoLager-Netzwerkes, in dem auch viele Flüchtlinge aus anderen Orten der Ausgrenzung in Deutschland engagiert sind, gemeinsam die Forderung nach Abschaffung dieses Lagers und aller Lager in Deutschland und Europa zu formulieren und in die Öffentlichkeit zu tragen.

Eine sehr ausdrucksstarke Demonstration zog durch den Ort Hesepe zu dem Parkplatz vor dem Lager. Dort hatte die Polizei mit Absperrgittern dafür gesorgt, dass die DemonstrationsteilnehmerInnen in einem Abstand von 30 Metern von Zaun und Tor des Lagers ferngehalten werden. Damit wurde der Kontakt zu den Flüchtlingen, die sich noch innerhalb des Lagers befanden, selbst durch den Zaun hindurch erschwert oder unmöglich gemacht. Der Versuch, diese Absperrungen beiseite zu schieben, wurde durch den Einsatz der Polizei verhindert.
 
 

Von Seiten der Lagerleitung und der Polizei war vor den Aktionen zugesichert worden, dass alle Flüchtlinge, die sich beteiligen wollen, ungehindert das Lager verlassen dürfen. Diese Zusicherung wurde nur sehr unzureichend eingehalten. Jeder Flüchtling einzeln musste bei einem Pförtner um Auslass bitten, und nach jedem Flüchtling wurde die Pforte wieder geschlossen. Die Flüchtlinge mussten dann die Sperrzone der Polizei durchqueren und über die Absperrgitter klettern, teilweise wurden sie von PolizistInnen regelrecht über diese Gitter gescheucht. Einzelnen Flüchtlingen wurde zeitweilig auch das Verlassen des Lagers verweigert, vereinzelt unter Einsatz von Gewalt. Dennoch kamen immer mehr Flüchtlinge, unter ihnen viele Kinder zur Kundgebung vor dem Lager, einige von ihnen schilderten über die Lautsprecheranlage die inhumanen Bedingungen, unter denen sie im Lager leben müssen, oder berichteten von der Perspektivlosigkeit und den Ängsten vor der Abschiebung. Vor allem die Kinder machten sehr deutlich, dass sie es nicht verstehen können, dass ihnen nicht die Chance auf ein Leben in Würde und Freiheit gegeben werden soll. Gemeinsam von innerhalb und außerhalb des Lagers wurde immer wieder die Parole formuliert: "Das Lager muss weg - aber wir bleiben hier!" Bis 17 Uhr dauerten die Aktionen mit Reden, Performances und Musik an, dann setzte sich der Konvoi aus Bussen und PKW Richtung Mecklenburg-Vorpommern in Bewegung, um dort an drei Orten die Aktionen der No-Lager-Tour fortzusetzen.

Im No-Lager-Netzwerk fordern Menschen mit und ohne Migrationshintergrund Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte für Alle. Menschen, die gezwungen sind, in Lagern zu leben, haben keine Bewegungsfreiheit, Flüchtlinge und MigrantInnen in Deutschland und Europa haben nicht die gleichen Rechte wie der Rest der Bevölkerung. Zäune, die um Lager für Flüchtlinge herumgezogen sind, sind ein Symbol der Ausgrenzung, das wir nicht akzeptieren. Die Aktionen am Abschiebelager Bramsche-Hesepe haben deutlich gemacht, dass Flüchtlinge und UnterstützerInnen gemeinsam den Zaun überwinden. Die Aktionen werden jedoch erst dann ihr Ziel erreicht haben, wenn Lager, wie das in Bramsche-Hesepe endlich geschlossen sind.

Auch am zweiten Tag der Aktionstour gegen das europäische Lagersystem, zu dem das No-Lager-Netzwerk, das Komitee für Grundrechte und Demokratie und diverse Flüchtlings- und Menschenrechstorganisationen aufgerufen hatten, beteiligten sich in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt ca. 300 Menschen an den Aktionen vor den Lagern Horst bei Boizenburg und Schwerin-Görries sowie an der Abschlussdemonstration in Schwerin.

Bereits im Vorfeld wurden die Flüchtlinge in den beiden Lagern von den Behörden massiv eingeschüchtert und mit Repressionen bedroht. Informationsblätter wurden eingesammelt, vor dem Kontakt mit BesucherInnen aus dem No-Lager-Netzwerk gewarnt und Strafen angekündigt, falls Flüchtlinge an den Aktionen teilnehmen würden. Bei beiden Lagern wurden für den gesamten Tag Besuchsverbote verhängt. Trotzdem kamen aus dem Lager Horst viele Flüchtlinge vor das verschlossene Tor, und ca. 15 von ihnen fuhren in Bussen mit nach Schwerin. Sie berichteten von den Bedingungen im bisher als Erstaufnahmeeinrichtung dienenden, jetzt aber in eine Art Abschiebzentrum umgewandelten Lager Horst, in das 2006 auch alle Flüchtlinge, für die Hamburg zuständig ist, verlegt werden sollen. RednerInnen stellten einen Zusammenhang her zwischen dieser Aus-Lagerung von Flüchtlingen aus den europäischen Metropolen in die Wälder und der geplanten und z.T. bereits praktizierten Internierung von Flüchtlingen und MigrantInnen in nordafrikanischen Wüstencamps. Abschreckung, Hinderung an der Einreise und Erleichterung der Abschiebung sind die Ziele derjenigen, die diese Lager planen und betreiben. Während der Redebeiträge kam es durch agressives Filmen der Polizei zu einer angespannten Stimmung, und statt zu deeskalieren, reagierte die Polizei mit zwei Festnahmen. Weitere Verhaftungen wurden angedroht, und um eine Eskalation zu verhindern, brachen die VeranstalterInnen die Kundgebung früher als geplant ab. Vier Busse und mehrere PKWs setzte sich in Bewegung, um nach Schwerin weiter zu fahren.

Auch die Flüchtlinge, die in Schwerin-Görries in einem Containerlager leben müssen, wurden zunächst von einem Polizeiaufgebot mit kläffenden Hunden am Verlassen des Lagers gehindert und erneut drohten Festnahmen. Erst nach Protesten der DemonstrantInnen und Verhandlungen mit der Polizei durften Flüchtlinge an der Kundgebung und einem Picknick teilnehmen. Mit Verspätung fuhr der Konvoi in die Schweriner Innenstadt, wo dann lautstark und bunt die  Abschlussdemon- stration stattfand. Erst nach Ende der Veranstaltung wurden die beiden vor dem Lager Horst in Gewahrsam genommenen Demonstrationsteilnehmer wieder freigelassen. Das No-Lager-Netzwerk wird, zusammen mit einem breiter werdenden Spektrum an Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen, weiter Lager als Nicht-Orte, die der Menschenwürde widersprechen, kritisieren und aufsuchen. Damit wollen wir versuchen, die Isolation der in den Lagern internierten Menschen zu durchbrechen und gemeinsam mit ihnen für Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit, gegen Abschiebungen, für ein Bleiberecht und menschenwürdiges Wohnen für alle kämpfen.

Weitere Informationen sowohl zu den Aktionen und Aufrufen(den) als auch zu den besuchten Lagern auf:
www.nolager.de und
www.fluechtlingsrat-hamburg.de
Pressemitteilung des NoLager-Netzwerkes