Hintergrund Korsika-Fähren:

Kampf gegen Privatisierung

Streik und Besetzung einer Fähre der Linie Marseille-Korsika srgten Anfang Oktober für internationale Schlagzeilen, da die Regierung das Militär gegen die renitenten Seeleute einsetzte, die sich gegen die Privatisierung des Unternehmens wehren. Ursprünglich wollte die Regierung, die öffentliche Transport- und Verkehrsgesellschaft SNCM (Société nationale Corse - Méditerranée), mit Sitz in Marseille, zu 100 Prozent privatisieren. Übernehmen sollte sie die französisch-amerikanische Investmentgesellschaft "Butler Capital Partners". abei handelt es sich um einen Finanzinvestor, der selbst keinerlei eigene Erfahrung im Transportsektor mitbringt, sondern dessen Ziel darin bestünde, die aufgekaufte Gesellschaft "auszuschlachten" und weiter zu verkaufen. Im Durchschnitt behält "Butler Capital Partners" die aufgekauften Firmen sieben Jahre, bevor sie (oftmals nach Zerlegung) wieder den Besitzer wechseln. Da diese Frist bei anderen vergleichbaren Investmentfonds durchschnittlich nur vier bis fünf Jahre beträgt, handelte die französischen Regierung den Anleger zunächst als angeblich besonders humanen Vertreter seiner Zunft. In Wirklichkeit dürfte ein anderer Faktor eine größere Rolle bei der Auswahl des Aufkäufers gespielt haben: Walter Butler, der Inhaber des Investmentfonds, ist (rein zufällig natürlich) ein Studienfreund von Premierminister Dominique de Villepin aus gemeinsamen Tagen bei der Verwaltungshochschule und französischen Eliteschmiede ENA (Ecole nationale de l'administration).

Im Rahmen des ursprünglichen Übernahmeplans schlug "Butler Capital Partners" vor, 35 Millionen Euro Kaufpreis für die SNCM zu zahlen - deren realer Wert auf mindestens 450 Millionen Euro geschätzt wird. Obendrein forderte er, die öffentliche Hand solle (ihm) 113 Millionen dazu zahlen, um ihm zu erlauben, "die SNCM wieder flott zu machen". Gleichzeitig kündigte der Investmentfonds von vornherein an, er werde 350 bis 400 Arbeitsplätze bei der SNCM (das entspricht über 15 Prozent der Beschäftigten) abbauen.

Nach den erheblichen sozialen Konflikten Ende September hat die Regierung ihre Privatisierungspläne überarbeitet. Ihr neues "Angebot" sah Anfang Oktober so aus: "Butler Capital Partners" sollte weiterhin 40 % der Anteile an der bisher öffentlichen Verkehrsgesellschaft SNCM übernehmen. Zusätzlich sollte ein anderes Privatunternehmen einsteigen, der private Transportbetreiber Connex (eine Filiale des Véolia-Konzerns, ehemals Vivendi-Gruppe). Als "industrieller Betreiber" sollte Connex 30 % der Anteile und die Führung der Geschäfte übernehmen. Connex wiederum gehört einem persönlichen Freund - dieses Mal nicht von Premierminister Dominique de Villepin, wohl aber von Präsident Jacques Chirac: Henri Proglio. Der französische Staat sollte seinerseits noch 25 % der Anteile behalten (gegenüber ursprünglich geplanten null Prozent), da die Gewerkschaften und die um ihre Arbeitsplätze fürchtenden Beschäftigten ihn in die politische Verantwortung nehmen möchten. Ferner sollten die abhängig Beschäftigten selbst - 2.360 Personen arbeiten bei der SNCM - insgesamt 5 % der Anteile übernehmen.
Dieses Vorhaben stieß wiederum auf spürbare Widerstände seitens der Gewerkschaften, die - selbst wenn sie eine Teilprivatisierung nicht ausschließen - die Aufrechterhaltung eines Anteils der öffentlichen Hand in Höhe von mindestens 51 % fordern.

Bei der Verhandlungsrunde am 4. Oktober wollte die Pariser Regierung dieser Forderung jedoch nicht nachgegeben. Der neue, ultimative und letzte "Rettungsvorschlag" der Regierung lautet folgendermaßen: Der Anteil der öffentlichen Hand bleibt bei 25 Prozent. Der Anteil der abhängig Beschäftigten (bei dem es sich notwendigerweise um Streuaktien handeln würde, also um einen weitgehend zersplitterten Aktienbesitz) sollte von 5 auf 8 Prozent erhöht werden; die Pariser Abendzeitung "Le Monde" wollte auch von 9 Prozent gehört haben. Damit, so behauptete die Pariser Regierung, sei eine "Sperrminorität" (in Höhe von einem Drittel der Gesellschaftsanteile) gewährleistet, da die Anteile des französischen Staates und der abhängig Beschäftigten ja nunmehr 33 bzw. 34 Prozent betrügen. Tatsächlich benötigen einige grundlegende, strategische Unternehmensentscheidungen (wie beispielsweise der Verkauf größerer Bestandteile der Gesellschaft) eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Stimmanteile unter den Aktionären. Dagegen wären diese Minderheitsanteile im Alltagsbetrieb, den Connex als "industrieller Betreiber" übernehmen soll, weitgehend bedeutungslos. Der Investmentfonds "Butler Capital Partners" soll weiterhin den größten Anteil (nunmehr 38 %) übernehmen und die Firma Connex 28 %.

Kritik an Connex

Ein Bericht der KP-nahen Tageszeitung "L'Humanité" vom Donnerstag (6. Oktober) dürfte die Kritik am durch die Regierung eingesetzten "industriellen Betreiber", Connex, nur noch verschärfen. Die Zeitung berichtet über die vorangegangenen Erfahrungen mit ebendieser Firma im britischen Eisenbahnsektor. Connex hatte anlässlich der Privatisierung des Eisenbahnnetzes unter der konservativen Regierung von John Major, 1996, den Betrieb von zwei der nunmehr 23 privatisierten Bahnnetze übernommen: South Central und South East. Letztere umfasst den Londoner Vorort- und Pendlerverkehr in Richtung Süden und Osten und ist damit ein besonders lukratives "Beutestück".

Die Verwaltung des Eisenbahnbetriebs unter Connex war jedoch dermaßen desaströs (NutzerInnen beklagten sich täglich über dauernde Verspätungen und schmutzige Züge), dass es zu einer Premiere kam: Die britische öffentliche Hand entzog im Jahr 2003 erstmals dem privaten Betreiber wieder seine Nutzungserlaubnis. Connex hatte bis dahin 58 Millionen Pfund (rund 85 Millionen Euro) an öffentlichen Subventionen eingesteckt. Nunmehr forderte die Gesellschaft, dass ihr nochmals zusätzliche zwei Millionen Pfund in den Rachen gestopft würden. Das war dann sogar der neoliberalen britischen Regierung zu viel: Sie übernahm vorläufig wieder selbst das Bahnnetz South-East (182 Bahnhöfe, 3.000 Beschäftigte, täglich 120.000 Passagiere) - sucht jedoch bereits nach einem neuen privaten Betreiber, während die britischen Gewerkschaften die Renationalisierung des gesamten Eisenbahnwesens fordern.

Dieselbe Zeitung berichtet auch, dass die Privatisierung des Schifffahrtsbetriebs zwischen Marseille und Korsika anscheinend von längerer Hand geplant ist. "L'Humanité" enthüllt, dass die korsische Regionalregierung (eine Koalition aus liberal-konservativen Rechten und korsischen Nationalisten, wobei letztere sich nicht eben als progressiv erwiesen haben) seit längerem für 2007 eine Neudefinition der Auflagen für den öffentlichen Dienst im Transportbereich plant. An dem Text wird demzufolge seit längerem gearbeitet. Demnach soll nur noch eine Schrumpfversion, die allein den Gütertransport (aber nicht mehr den besonders lukrativen TouristInnen-Transport) umfassen würde, des als solcher definierten "öffentlichen Dienstes" anerkannt werden. Den Privatkonkurrenten, so die seit längerem gehegten Pläne, soll damit der lukrativste Sektor vollständig "geöffnet" werden. Bereits heute erhält die private Konkurrenz für den Touristentransport in Richtung Korsika- ebenso wie die SNCM - öffentliche Subventionen, im Namen der Strukturförderung für die strukturschwache Region Korsika.

(Bernhard Schmid, Paris)