Freihandel:

Unhygienisch und ruinös

Gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft hatte die Kieler Attac-Gruppe Mitte des Monats zu einer Informationsveranstaltung über die Exportpolitik der EU eingeladen. Anhand von Hühnerfleisch-Ausfuhren nach Kamerun wurden die Folgen der Freihandelspolitik veranschaulicht. Zu diesem Zweck war Tilder Kumichii Ndichia aus Kamerun angereist, die vom Kampf der Kameruner gegen die Exporte berichtete. Wir nutzten die Gelegenheit um Frau Kumichii Ndichia, die Vorsitzende von ACDIC, der Bürgervereinigung für die Verteidigung kollektiver Rechte in Kameruns Nordwestprovinz ist, zu interviewen.(wop)

LinX: Ihre junge Organisation hat sich rasch über das ganze Land ausgebreitet, und zwar sowohl in den frankophonen als auch den anglophonen Provinzen. Um was für Probleme kümmern Sie sich?

Tilder Kumichii Ndichia (T.K.N.): Wir sind in der Tat schnell gewachsen. ACDIC wurde erst 2003 gegründet und vereinigt bereits 12.000 Bürger, die gemeinsam für ihre Rechte kämpfen wollen. Die Themen, die wir aufgreifen, können sehr verschieden sein. Mal geht es um den häufigen Stromausfall, mal um die wachsenden Reisimporte, die ein Problem für unsere Bauern darstellen. In letzter Zeit haben wir uns verstärkt der Frage der sogenannten Nahrungsmittel-Souveränität zu gewandt. Dabei geht es um das Recht der Staaten, die heimische Produktion vor Importen zu schützen, um die Grundlage für die Ernährung der eigenen Bevölkerung zu sichern. Damit hing auch die erste Kampagne zusammen, die wir von ACDIC organisierten, und über die ich gerade auf einer Rundreise in Deutschland berichte: Die Kampagne gegen die Hühnerfleischimporte aus der EU.

LinX: Worum ging es dabei?

T.K.N.: Schon bevor ACDIC gegründet wurde, hatten wir mit Bauern gearbeitet und sie ermutigt, Hühner zu züchten. Ab dem Jahr 2000 mussten jedoch mehr und mehr von ihnen wieder aufgeben. Der Grund waren schnell wachsende Importe von Hühnerfleisch aus der Europäischen Union waren, die Kameruns Märkte überschwemmten. Das Fleisch war so billig, dass unsere Bauern nicht mithalten konnten. Außerdem stellten wirr fest, dass es auch Gesundheitsprobleme gab.

LinX: Aufgrund mangelnder Hygiene?

T.K.N.: Ja! Der ganze Transportprozess ist sehr unhygienisch. Wir können nicht nachweisen, ob das Fleisch vielleicht schon in den europäischen Exporthäfen verdorben war. Aber mit Sicherheit läßt sich sagen, dass auf dem Weg von den Einfuhrhäfen über die Märkte bis in die Küchen der Frauen das Fleisch oft verdarb. Es handelt sich um Teile von Hühnern, die sich in Europa nicht so gut verkaufen lassen. Für den EU-Markt die Hühnchenbrust, für Kamerun, die Beine und Flügel. Ausgewiesen wird das Fleisch von den europäischen Exporteuren als gefrorenes Hühnerfleisch, doch in Kamerun haben die Zwischenhändler oft keine funktionsfähigen Kühlbehälter. Auf den Märkten wurde das Fleisch dann einfach ungekühlt verkauft. Man kann sich vorstellen, in welchem Zustand es war.

LinX: Was waren die Konsequenzen für die Bauern?

T.K.N.: Betroffen waren vor allem Kleinbauern, viele von ihnen Frauen, die mit ihrem Geschäft ihre Familien ernährten. Die standen mit einem Mal vor dem Nichts, weil sie ihre Hühner nicht mehr auf den Märkten oder an die Händler verkaufen konnten. Ich hatte, bevor ich mich ACDIC anschloss, Frauen beraten, wie sie sich kleine Existenzen aufbauen konnten. Wir hatten so genannte Mikro-Kredite von der Afrikanischen Entwicklungbank für die Frauen organisiert, doch nun bedrohten die Billig-Importe aus der EU ihre Existenzen, ohne dass diese Schulden schon abgetragen worden wären.

LinX: Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen dieser Exportpolitik der EU und der wachsenden Migration aus Afrika?

T.K.N.: Nun, das Bindeglied ist die Armut. Zu viele Importe zerstören die lokale Initiative und unser Kleingewerbe. Wenn die EU immer nur nach Afrika exportiert, ohne sich darum zu kümmern, dass die Leute in Afrika sich eine eigene Existenz aufbauen müssen, dann ist es kein Wunder, dass einige ihr Glück woanders versuchen.

LinX: ACDIC gelang es schließlich, eine erfolgreiche Kampagne gegen die Hühnerfleischimporte zu organisieren.

T.K.N.: Ja. Wir setzten alle Hebel in Bewegung und konzentrierten uns zunächst auf die Verbraucher. Unsere Aufklärungsaktionen überzeugten so viele, dass der Markt für das Importfleisch zusammenbrach. Danach konnten wir viele Bäuerinnen und Bauern überzeugen, ihre Produktion wieder aufzunehmen. Schließlich hat der öffentliche Druck auch dazu geführt, dass die Regierung Mengenbeschränkungen für den Hühnerfleischimport einführte. Im Augenblick werben wir dafür, dass auch die Einfuhrzölle deutlich erhöht werden.