Ratschlag der sozialen Bewegungen:

Jenseits der Wahl

Unter dem Titel "Jenseits der Wahl - Die außerparlamentarische Bewegung stärken" findet am 19. und 20. November 2005 in Frankfurt/Main eine Aktions- und Strategiekonferenz statt. Dazu werden bis zu 400 Teilnehmende erwartet, das ist relativ viel und zeigt die Erwartungshaltung, dass "was passiert".

Folgende Aspekte haben im Verlauf der Vorbereitungen eine Rolle gespielt: Von einer Großen Koalition haben wir nur noch schärfere Angriffe zu erwarten als die, denen wir bereits unter der Regierung Schröder ausgesetzt waren. Die Wiederauflage des Nazi-Vokabulars gegen Erwerbslose, ihre Verleumdung als "Parasiten" und die Ankündigung systematischer Schnüffelaktionen sind nur ein Vorgeschmack. Allerdings haben die Wahlen auch gezeigt, dass neoliberale Politik in diesem Land auf breite Ablehnung stößt. Die Große Koalition wird deshalb zumindest in der Anfangsphase eine schwache Regierung sein, ihre internen Unstimmigkeiten schaffen dem sozialen Protest einen Spielraum. Die soziale Unruhe im Land wird zunehmen - das zeigt sich jetzt schon an der Zunahme der Proteste an Kliniken, die privatisiert werden sollen, in Betrieben usw. Damit stehen wir in Deutschland auch nicht allein da - ein Blick über die Grenzen zeigt: Generalstreik in Belgien am 7.10, neuer Generalstreik am 28.10., zentraler Aktionstag in Frankreich am 4.10., Generalstreik in Italien am 25.11., usw.

Die Herausforderung besteht also darin, die sozialen Proteste zu bündeln, gemeinsame Handlungsstränge herauszuarbeiten und eine dauerhafte gemeinsame Handlungsfähigkeit herzustellen. Es geht also im November um mehr als nur darum, eine nächste gemeinsame bundesweite Demonstration zu verabreden. Es geht um die Herausbildung einer außerparlamentarischen Opposition, die stark genug ist, ein politischer Faktor in diesem Land zu werden.

In gewissem Sinne kommt die Konferenz dennoch zu früh. Diejenigen, die sie in Erfurt vorgeschlagen haben, waren davon ausgegangen, dass wir eine schwarz-gelbe Regierung bekommen werden, auf die die Gewerkschaften sehr schnell mit Straßenprotesten reagieren. Dies ist so nicht eingetreten, und die Gewerkschaften haben mit sich selber zu kämpfen, wie sie sich gegenüber dieser Regierung überhaupt aufstellen wollen. Das bedeutet, dass die innergewerkschaftlichen Kontroversen um die grundsätzliche Orientierung zunehmen werden - mit bisher noch nicht überschaubaren Folgen; das bedeutet aber auch, dass wir im November noch nicht ohne weiteres werden sagen können: Der nächste zentrale Angriff der Regierung wird um die und die Frage geführt werden und darum herum bauen wir jetzt wieder ein Aktionsbündnis von der Breite des 3.April 2004 auf. Auch deshalb erhoffen wir von der Konferenz im November zugleich vorsichtigere und ehrgeizigere Ziele: die Definierung von Aktionsfeldern, auf denen eine längerfristige Zusammenarbeit verschiedener Bewegungen möglich ist, und die Inangriffnahme konkreter Mobilisierungstermine, von denen zwei schon feststehen: die Fußball-WM im Juni 2006 und der G8-Gipfel im Juni 2007. Vor allem aber soll die bundesweite Zusammenarbeit und auch die Einrichtung von Aktionskonferenzen selbst verstetigt werden.

Ein übergeordnetes Thema, das die Konferenz einleiten wird, ist die Frage nach einem strategischen Bündnis zwischen Gewerkschaften und anderen sozialen Bewegungen. Wie sind die Erwartungen? Was kann geleistet werden? Auf welcher Basis ist ein solches Bündnis überhaupt möglich? An sieben Inputs für sieben strategische Projekte soll diese Frage durchdekliniert werden:

1. Gegen Privatisierung - für Wiederaneignung öffentlicher Güter (Bildung, Daseinsvorsorge, usw.)

2. Steuern, öffentliche Kassen, Umverteilung

3. Entlassungen, Produktionsverlagerungen verhindern

4. Arbeit fair teilen / Mindestlöhne / Grundeinkommen

5. Krieg und seine Zusammenhänge mit Sozialabbau und Kampf um Ressourcen

6. Menschenrechte gegen globale Apartheid

7. Energiepolitik, Umwelt

Zu diesen Themen gibt es verschiedene quer dazu liegende Fragestellungen, die jeweils mit bedacht gehören. Dazu gehört die europäische und internationale Perspektive, dazu gehört die Forderung nach Demokratie und Partizipation (Bürgerhaushalte, Volksbegehren usw.), dazu gehört die feministische Perspektive, die noch eindeutig unterentwickelt ist.

In einer zweiten Runde teilt sich die Konferenz auf fünf Foren auf, die in Anlehnung an die Hauptforderungen aus der Erklärung der Versammlung sozialer Bewegungen in Erfurt formuliert wurde:

• Soziales und Arbeit neu gestalten

• Eine nach innen und außen friedliche Gesellschaft

• Eine ökologische zukunftsfähige Gesellschaft

• Eine solidarische, demokratische, geschlechtergerechte Gesellschaft

• Ein Europa in guter Verfassung

Sie bieten die Möglichkeit, die mit den Inputs angerissenen Projekte zu vertiefen, aber auch andere Projekte vorzustellen. Alle Ergebnisse werden am Sonntag früh im Plenum vorgestellt. Zum Schluss gibt es eine Plenumsdebatte darüber, auf welche zwei, drei bundesweiten Aktionen wir uns im kommenden Jahr verständigen können, für die alle Beteiligten mobilisieren.

Wenn das Anliegen so aufgeht und die Konferenz tatsächlich Ergebnisse zeitigt, sind wir einen erheblichen Schritt weiter.

(Angela Klein)