U-Boote für Südafrika:

HDW-Führung konzentriert sich aufs weltweite Rüstungsgeschäft

Kiellegungen, Taufen, Übergaben, In-Dienst-Stellungen, Auslieferungen – regelmäßig würdigen die Kieler Nachrichten die neuesten HDW-Kriegs-Produkte. Das Beispiel „U-Boot-Export nach Südafrika“ zeigt dagegen:

Der Schaden für die meisten Menschen in den Empfängerländern geht einher mit verschärften Arbeitsbedingungen für die Belegschaft und verbauten Chancen für Arbeitslose in Kiel.

Wie kann diese Entwicklung gestoppt werden?

Der Deal ...

Zur Jahrtausendwende schloss die Regierung der Republik Südafrika ein Geschäft ab mit Firmen der Europäischen Union über 7 Milliarden Euro: British Aerospace zeichnete für 24 Hawk-Kampfflieger, der schwedische Saab-Konzern für 28 Gripen-Kampfflieger, der italienische Agusta-Konzern für 30 Hubschrauber und die heutigen Thyssen-Krupp-Marine-Systems für 4 Kriegsschiffe (Korvetten) und 3 U-Boote (28).

Der deutsche Anteil liegt bei 1,6 Milliarden Euro und wird bei Zahlungsausfall vom deutschen Steuerzahler übernommen (Hermes-Kredite der Bundesregierung).

Was will Südafrika mit den Booten?

Offiziell werden Beteiligung an „friedenschaffenden Maßnahmen“ sowie Küsten- und Fischereischutz genannt.(31) Südafrikanische Fische können sich also demnächst mit Torpedos aus deutschen Rohren gegen fremde Trawler verteidigen! Angesichts des südafrikanischen Einmarschs im Nachbarland Lesotho liegt aber auf der Hand: Südafrika will seine Rolle als Regionalmacht festigen. Da wird auch schon mal im Parlament davon gefaselt, der amerikanischen Regierung im Falle einer maritimen Invasion „eine blutige Nase verpassen“ zu wollen.(31)

Was nützen sie der Bevölkerung?

16% sind AIDS-infiziert. Mit den 1,6 Milliarden Euro für das Kriegsgerät aus Deutschland ließe sich ein wirkungsvolles AIDS-Soforthilfe-Programm bezahlen. Tuberkulose und Cholera sind verbreitet. 8 Millionen Menschen vegetieren in Slums (32). Geschätzt wird, dass bis 2010 ein Drittel der Erwachsenen an AIDS stirbt. In der Internationalen Mordstatistik steht Südafrika an erster Stelle: 3,2 Millionen Südafrikaner besitzen legal 4,2 Millionen Feuerwaffen (28).

So gab es im Land selbst massive Kritik an dem Waffengeschäft, z.B. vom Kirchenrat oder dem Dachverband der Nicht-Regierungs-Organisationen (15). Da verweist die Regierung nun gern auf „Kompensationsgeschäfte“: Der HDW-Partner-Konzern Ferrostaal soll in Coega im Eastern-Cape einen Tiefwasserhafen sowie ein Aluminiumwerk bauen (31). Des weiteren sollen Stahlwerke entstehen, um die Autoindustrie mit Blechen zu beliefern und die Firma Thyssen entwickelte ein Fertig-Haus, von dem 20.000 Errichtungen jährlich veranschlagt werden (33).

Unabhängige Wirtschaftswissenschaftler, z.B. im südafrikanischen Rechnungshof, zweifeln an, dass solche Planungen jemals den Bedürftigen zu Gute kommen werden . Eher muss damit gerechnet werden, dass Projekte platzen oder neben den direkten Waffenlieferanten sich weitere Konzerne eine goldene Nase zusammenrauben. Auch im militärisch-industriellen Komplex Südafrikas herrscht eine Mafia aus korrupten Politikern und Managern (31, 32, 34).

Im Rüstungsexportbericht 2000 der BRD taucht der ganze Deal vorsichtshalber überhaupt nicht auf .

... wird umgesetzt!

Die Fusion von HDW Kiel mit Blohm+Voss Hamburg sowie den Thyssen-Nordsee-Werken Emden zu Beginn dieses Jahres zu den hTyssen-Krupp-Marine- Systems (TKMS) legte den Kurs für Kiel fest: Bei insgesamt schrumpfender Belegschaft wird der Handelsschiffbau in die HDW-Gaarden-GmbH ausgegliedert (400 Mitarbeiter), der Rüstungssektor hat als einzigen Produktionsbereich U-Boote. Der Geschäftsführer der HDW-Gaarden, Walter Klausmann, spricht im KN-Interview am 1.10. von eigenem Grundstück, eigenen Anlagen und Gebäuden der GmbH und einer Abkoppelung von den Kosten des U-Boot-Baus (24).

Was ist los? Nach 87 Jahren wieder Revolution in Kiel? Späte Früchte der großen Kieler Demonstration gegen die Fusionspläne am 24.9.04?

Haben Beschäftigte brachliegende Anlagen besetzt, die Waffenproduktion geächtet und nehmen nun Entwicklung, Fertigung und Vertrieb sinnvoller Produkte in die eigenen Hände? Leider nicht!

Die GmbH gehört der Thyssen-Krupp-Marine-Systems. Diese bestimmen Konstruktion, Einkauf und Vertrieb, Gaarden fertigt nur Handelsschiffbau und steht nicht gegen U-Boot-Bau, sondern wird zu dessen Lückenbüßer.

Dies wurde deutlich, als nach der Fusion Containerschiffbau-Aufträge einer Hamburger Reederei von der Geschäftsführung abgelehnt wurden, obwohl damit die Anlagenkapazitäten erst zu 30% ausgelastet gewesen wären: Weiteres Personal wäre nötig gewesen! Die Konzernleitung wollte sich aber ihr U-Boot-Konzept nicht durcheinander bringen lassen und baut weiter Arbeitsplätze ab. Und das, obwohl die Belegschaft vorausgegangene Schiffe für diese Reederei erst durch Lohneinschnitte ermöglicht hatte (7).

Klausmann gibt im Weiteren unumwunden zu: „Wir müssen das Standort-Denken überwinden ... Der Anspruch ist :TKMS.“(24). Ebensogut hätte er sagen können „Profit geht über Leichen!“ (siehe Südafrika).

TKMS-Chef Klaus Borgschulte stellte schon zu Jahresbeginn im Abendblatt-Interview für die Konzern-Zukunft klar: Für EU-weite Fusionen müssten Franzosen, Spanier, Italiener und Briten erst ihre Hausaufgaben machen; dann aber würde Thyssen-Krupp den Führungsanspruch nicht mehr ausschließen.

Dieser wird schon seit längerem vorbereitet, z. B. auf der südafrikanischen Waffen- u. Technik-Messe 2002, zu der Helmut Lorscheid in TELEPOLIS schreibt:

„Damals hieß die Firma noch MBB, die Hubschrauber nach Südafrika und auch für die dortige Rassistenpolizei lieferte. Heute ist die „Eurocopter South Africa“ auf der Messe präsent. Viele der heute in Südafrika Regierenden werden sich bei den Präsentationen sicher noch an die Einsätze der MBB-Hubschrauber gegen demonstrierende Apartheidgegner erinnern... Mit den Firmen Blohm und Voss, Abeking und Rasmussen, Ferrostaal, Howaldtwerke-Deutsche Werft AG und der MTU Motoren u. Turbinen Union GmbH, Siemens AG Anlagentechnik, STN Atlas Elektronik GmbH und den Thyssen Nordseewerken ist so ziemlich alles aus deutschen Landen vor Ort, was man für einen ordentlichen Kriegsschiff- und U-Bootbau so brauchen kann. Schließlich ist Deutschland Südafrikas wichtigster Handelspartner und mit dem Export von Kriegsschiffen und U-Booten auch der wichtigste Rüstungslieferant.“

Die oben erwähnten 4 Korvetten, die u. a. aus Kiel kommen, sind bereits alle abgeliefert und in Südafrika mit Hilfe von Thales Navales France weiter bewaffnet worden (4, 11, 16).

Das erste der 3 U-Boote ist nach früheren Feiern der Kiellegung, der Taufe, der Übergabe nun am 3.11. im Dock 5 bei HDW in Dienst gestellt worden, jedesmal mit einem Aufgebot aus südafrikanischer Marineführung und Kriegsministerium. Um an die „Geburtsstätte“ dieses Mordinstruments zu erinnern, hängt das Kieler Wappen am Turm. Besondere Grausamkeit: Mittendrin eine Pik-Ass-Spielkarte (KN, 4.11.05). US-Söldner streuten im Vietnam-Krieg bei den Opfern ihrer Killer-Kommandos diese Karten aus.

Was nun? – Was tun?

Der Deal wurde beschlossen und wird abgewickelt: Alles gelaufen, könnten wir meinen. Doch weit gefehlt! Dies sind nur Beispiele! Schon werden die nächsten Aufträge eingeholt, z.B. aus Indien, Brasilien und den Vereinigten Emiraten, wieder U-Boote und wieder mit Ferrostaal zusammen.

Sagen wir deutlich: Bei solchen Geschäften steht nicht Arbeitsplatz gegen Moral. Lohneinbußen und Kündigungen hier sowie Krankheit und Tod durch Rüstung dort sind zwei Seiten derselben Medaille: Profitstreben weniger auf Kosten vieler. Die Auseinandersetzung darum muss in die Öffentlichkeit! In der Demonstration im Herbst 04 hat sich eine Hoffnung vieler Kielerinnen und Kieler gezeigt: Wir finden uns mit dem 150jährigen Joch Kieler Kriegsschiffsproduktion nicht ab.
Daran muss festgehalten werden, insbesondere angesichts der Bedeutung Kiels für zwei Weltkriege!

Suchen wir unsere BündnispartnerInnen in Kiel, Hamburg, bundesweit, in Europa und in Südafrika!

Machen wir es konkret, z.B. bei Auslieferungen: Für das erste U-Boot Mitte Februar, für die folgenden in der Zeit bis 2007.

Lasst sie nicht weg!

(avanti – Infos bitte an die Redaktion)

(4) HANSA 01/2004
(7) KN, 1.4.05
(11) KN, 31.12.04
(15) Sozialistische Zeitung 15.3.01, EU-Südafrika, Proteste gegen Waffendeal
(16) Die Welt, 16.3.04
(24) KN, 1.10.05
(28)  Internationales Konversionszentrum Bonn: Sicherheit, Rüstung u. Entwicklung in Empfängerländern  deutscher Rüstungsexporte, 1.11.05
(31) „Waffen oder Entwicklung“ issa 4/01, Wolf-Christian Paes
(32) medico international, 4/01 „Eine kriminelle Vereinigung gegen Südafrika – Der große Waffendeal“
(33) Deutscher Bundestag, Drucksache 14/351
(34) Bartholomäus Grill in „Die Zeit“, Archiv 2001, Der Stachel sticht – Rüstungsskandal in Südafrika