Alles Lüge?

Innenminister Stegner will Ausreisezentren

Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein kritisiert scharf die geplanten Aufenthaltsverlängerungen für Flüchtlinge in den Kasernen in Lübeck und Neumünster von sechs auf neun Monate sowie die Nichtweiterverteilung der Flüchtlingen auf Kreise und Kommunen bei negativen Asylentscheidungen durch das Bundesamt. Schon heute werden nach Informationen des Flüchtlingsrates viele Flüchtlinge insgesamt länger als ein Jahr in der Trave- bzw. der Scholz-Kaserne untergebracht. Entgegen der Äußerung des Innenministers handelt es sich aus Sicht des Flüchtlingsrates bei den geplanten Maßnahmen im Ergebnis tatsächlich um ein so genanntes  Ausreise- zentrum. Die Betroffenen haben bei der nicht erfolgenden dezentralen Umverteilung keine Möglichkeiten mehr sich auch nur mittelfristig zu integrieren. Der Zugang zu frei gewählter Beratung wird verunmöglicht. Die Inanspruchnahme qualifizierter Rechtsvertretung im verwaltungsgerichtlichen Asylverfahren wird erschwert.

Die Annahme Stegners, Asylsuchende, „deren Anträge absehbar keine Erfolgsaussichten hätten“, werden in der Neumünsteraner Kaserne verbleiben, lässt die hohe Nicht-Anerkennungsquote des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge als gerechtfertigt erscheinen. Tatsächlich ist die Anerkennungspraxis des Bundesamtes aber seit Jahren in der Kritik von Flüchtlingsorganisationen, Fachjuristen und nicht zuletzt der Verwaltungsgerichte. Viele Flüchtlinge erhalten trotz negativer Entscheidung des Bundesamtes vor dem Verwaltungsgericht eine Anerkennung. Die Chance auf einen solcherart positiven Ausgang des Asylverfahrens wird durch die geplanten Zentralisierungsmaßnahmen des Innenministeriums konterkariert.

„Selbstverständlich bedeutet die zwangsweise Einweisung von Menschen in Kasernen eine Kasernierung!“ erklärt Martin Link vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein mit Blick auf die Äußerung Stegners. „Der Flüchtlingsrat kritisiert die damit einhergehende Diskriminierung von Menschen und fordert für Flüchtlinge die Unterbringung in privatem Wohnraum, den ungehinderten Zugang zu selbstgewählten Beratungsstellen. Das bedeutet vor allem eine perspektivoffene Flüchtlingsberatung anstatt einer, die ausschließlich auf die Rückkehr fixiert ist.“ Nach Aussage des Landesamtes für Ausländerangelegenheiten (LfA) finden schon jetzt Abschiebungen aus der Kaserne heraus unangekündigt statt. Dies hält der Flüchtlingsrat aus rechtlichen und politischen Gründen für unverhältnismäßig. Diese zu kritisierende Praxis des Landesamtes würde bei einer Umsetzung der geäußerten Pläne des Innenministeriums zum regelmäßigen Standard für fast alle Flüchtlinge werden, die in Schleswig-Holstein Schutz und Perspektive suchen.

(Pressemitteilung des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein vom 01.12.2005)