Kieler Stadthaushalt 2006:

Die Banken bestimmen die Politik

Die Stadt Kiel wird auch im nächsten Jahr ein Haushaltsdefizit von 121 Mio. Euro haben, und die Verschuldung wird auf 349 Mio. Euro anwachsen. Dafür sollen die 30-prozentigen Sparbeschlüsse, die die Stadt Ende 2004 beschlossen hat weiter umgesetzt werden und es gibt es lange Liste von Maßnahmen. Der größte Brocken soll durch Personaleinsparungen erreicht werden, dem sog. Eckwertebeschluss, der bis 2010 umgesetzt sein soll.

Albig: „Die Sanierung des Kieler Haushaltes wird nur gelingen können, wenn sich Verwaltung und Selbstverwaltung auf das konzentrieren, was für unsere Stadt wirklich notwendig ist. Auf alles Überflüssige muss künftig verzichtet werden. ...“ und wohl an den Personalrat gerichtet: „Eine konsequente Aufgabenkritik und zielorientierte Zusammenarbeit aller Beteiligten ist Voraussetzung für die Realisierung des Einsparvolumens von 88 Mio. Euro, verbunden mit einem angestrebten Personalabbau in der Größenordnung von 1000 Stellen.“ 120 Stellen sollen schon im Jahre 2006 eingespart werden, angeblich mit Zustimmung des  Gesamt- personalrats. Die Ratsversammlung hofft damit die Verschuldungsfalle zu stoppen und möglicherweise sogar ins Positive zu kommen (siehe Grafik Investitionen).

Die Ursache der Verschuldung ist ein Rückgang der Einnahmen. Die Gewerbesteuer sank von 1998 136 Mio. Euro auf 2004 61,4 Mio. Euro. Dabei gab es im letzten Jahr unerwartete Gewerbesteuerzahlungen von ca. 120 Mio. und das waren 60 Mio. mehr als erwartet, so dass es in 2005 kein Defizit gab und auch Altschulden aus dem Jahre 2003 beglichen werden konnten. Es gibt keine öffentlichen Angaben darüber, von welchen Firmen die größten Zahlungen kommen, aber man munkelt es seien Zahlungen der HSH-Nordbank. Nur 10% der Betriebe erbringen über 90% des Gesamtaufkommen, die sieben größten Betriebe allein ungefähr die Hälfte. Es ist nicht bekannt, wie groß der Beitrag der ortsansässigen Rüstungsbetriebe ist, die über 40% ihrer Produkte auf dem Weltmarkt verkaufen und dabei riesige Gewinne machen. Der Rückgang der Gewerbesteuer ist aber auch durch Rationalisierungen und Produktionsverlagerung im produzierenden Sektor zu erklären, wie z.B. Heidelberg, HDW oder MAK, aber auch in Dienstleistungsbereichen.

Durch die Unsicherheit der Gewerbesteuerzahlungen sind die Kommunen in stärkerem Maße auch von dem Anteil an der Einkommenssteuer abhängig die sie vom Land erhalten. Dieser Anteil wird immer weiter gesenkt. Betrugen die Einnahmen 1999 noch 68 Mio., so ist für 2006 nur noch mit 48,5 Mio. zu rechnen. Wenn die Kommunen dann gleichzeitig noch die Folgen der Arbeitslosigkeit und die Hartz IV-Verarmungsgesetzgebung in zunehmendem Maße mit tragen müssen, dann bedeutet dies insgesamt ein Aushungern der Kommunen.

Währenddessen ist das private Vermögen eines kleinen Teils (ca. 1%) der Bevölkerung in den letzten Jahren stark gewachsen (siehe Grafik „Geld ist genug da“).

Die Politik hat es aber „vergessen“ die Reichen zu besteuern. Die Ratsparteien machen sich darüber keine Gedanken, denn alle Ratsparteien sind bundesweit an der Steuerpolitik beteiligt, die die Steuererleichterungen für die Reichen beschlossen haben und Schlupflöcher dulden.

Die Gewinner der Verschuldung der Stadt sind die Banken. Von 1997 bis 2006 berechneten sie 206,3 Mio. Euro Zinsen, also im Schnitt ca. 23 Mio. Euro pro Jahr, mit steigender Tendenz. Beim Schuldenmanagement hilft die HSH-Nordbank der Stadt wohl nicht ganz ohne Eigennutz.

Mit Privatisierungen hat die Stadt versucht die fehlenden Einnahmen auszugleichen und die Schuldsumme zu senken. 1999 wurde die Kieler Wohnungsgesellschaft (KWG) für 127,3 Mio. Euro verkauft. 2001 brachte der Anteilsverkauf der Kieler Stadtwerke 173,7 Mio. Euro Dieses hatte in den Folgejahren bis 2005 eine geringfügige Verringerung des Schuldenstandes zur Folge und bediente die Banken, die es im Grunde erpresst haben. Ab 2006 steigt die Verschuldung wieder; deswegen die Panik bei den Ratherren und der sog. Eckwertebeschluss, der Schlimmeres verhindern soll.

Weitere Privatisierungen und Public-Privat-Partnership-Modelle sind im Gespräch um die Verwaltung zu „verschlanken“ und es wird über Rechtsformänderungen für städtische Einrichtungen nachgedacht um Private ins Boot zu holen, die das dann wirtschaftlicher bzw. billiger machen sollen, als es das städtische Personal bisher macht. Bei dem kürzlichen Versuch ein Call-Center einzurichten, stellte sich aber heraus, dass das ein Irrtum ist.

Im Gespräch sind Privatisierungen von Abwasser, Stadtentwässerung, Abfallwirtschaft (Gebühren werden ab Januar um 17,4 % erhöht) und Berufsschulen.

81,6 Mio. Euro Investitionen tätigt die Stadt trotzdem weiter, und zwar vor allem dort, wo es der Wirtschaft nützt, vor allem der „maritimen“, in Konkurrenz zu Lübeck und Rostock. Ziele (aus dem Vorbericht zum Haushaltsplan 2006):

• Bereitstellung von Gewerbeflächen

• Ausbau der wirtschafts- und technologieorientierten Infrastruktur ( Biotechnologie-Zentrum, Multimedia-Campus, Wissenschaftspark)

• Entwicklung des Seefischmarktes zu einem maritimen Kompetenzzentrum für Wirtschaft und Wissenschaft

• ständige Modernisierung und Ausbau des Kieler Handelshafens (z.B. Ostuferhafen)

• Ausbau des Ostseekais zu einem Cruise & Ferry Center, um den Kreuzfahrttourismus auszubauen (19 Mio. Euro beschlossen)

• Modernisierung und Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau als Regionalflughafen (diverse Gutachten)

• Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Hochschulen und Verwaltung

• Errichtung eines Science-Centers als überregionaler Tourismusmagnet

• Kooperation von Wirtschaft, Bildungsträgern, Arbeitsverwaltung, Stadt Kiel, Land und EU für Ausbildungs- und Arbeitsplätze

In Kiel angesiedelte Konzerne und Großbetriebe profitieren von der Infrastruktur der Stadt Kiel und lassen sich auf Staatskosten Versorgung, Straßen, Hafenanlagen und Landebahnen bauen. Gewinnträchtige Rüstungskonzerne, die in der „maritimen“ Wirtschaft die Hauptrolle spielen, werden nicht zur Kasse gebeten. „Sparen um zu investieren“, so das Motto des grünen Bürgermeisters Todeskino.

Im aktuellen Haushalt müssen aber zunächst auch dringend nötige Sanierungen und Renovierungen mit berücksichtigt werden:

• Straßen- und Brückenbau/Gablenzbrücke (13,7 Mio. Euro)

• Seehafen Kiel (9,5 Mio. Euro)

• Stadtentwässerung/Kanalsanierung (8,1 Mio. Euro)

• Schulbaufinanzierung/Sanierung (4,4 Mio. Euro)

• Programm „Zukunft und Betreuung“ (2,3 Mio. Euro)

• Investitionen „Soziale Stadt“ (1,6 Mio. Euro)

• Sportzentrum Schilksee/Sporthalle (1,1 Mio. Euro),

• Science Center (0,7 Mio. Euro)

In Sachen Wirtschaftsförderung und der Notwendigkeit von Privatisierungen sind sich CDU und GRÜNE einig. Die SPD steht dem nicht nach. Ihnen war dies aber nicht genug. Sie warfen den anderen Parteien Verhinderung der Wirtschaftsprojekte Flughafenausbau und Science Center vor. Ausgerechnet mit Prestigeobjekten, deren Nützlichkeit besonders zweifelhaft sind, machte sich die SPD lächerlich.

Beim Science Center ist man sich aber einig und es soll ein neuer Versuch gestartet werden, um einen Finanzpartner zu finden, nachdem Merlin ausgestiegen ist. Es war offensichtlich nicht profitabel genug. Bei dem Projekt ist absehbar, dass es dauerhaft Zuschuss braucht und allein für die maritime Wirtschaft nützlich ist, die aber keinen Cent dazu zahlt. Zudem gibt es in Flensburg bereits seit längerem ein Center welches auf die Bezuschussung vom Land angewiesen ist. Darüber hinaus ist in Hamburg ein Science Center-Großprojekt in Planung. Es ist unwahrscheinlich, dass pro Jahr die nötigen 300.000 Besucher nach Kiel kommen, damit sich das Projekt trägt. Das Kieler Science Center Projekt soll nach Willen der Ratsversammlung noch dieses Jahr starten und an der Hörn gebaut werden.

Beim Flughafen Holtenau wird am 23. Dezember die letzte Linienverbindung nach Frankfurt eingestellt, obwohl auch diese noch von der Stadt gefördert wurde. Alle bisher hier registrierten Fluglinien haben aufgegeben, trotz massiver Subventionen (insgesamt ca. 3 Mio. Euro). Auch die nächste Linie, die angeblich über Lübeck fliegen will, hat bereits eine "Anschubfinanzierung" angemeldet. Das prognostizierte Fluggastaufkommen (Potenzialanalyse: 255.000) ist von der Realität (40.000) widerlegt worden. Die Tendenz ist sinkend, 21.000 Fluggäste weniger als von jüngster Prognose vorgegeben. Das Defizit der Kieler Flughafengesellschaft (KFG) beträgt in diesem Jahr über 2,038 Millionen Euro. Das SPD und IHK trotzdem noch an einem Ausbau der Startbahn festhalten, entspringt offensichtlich ganselscher Arroganz, die sich möglicherweise auf Kietzer und Möller übertragen hat, aber vielleicht wollen sie sich auch nur als die besseren Dienstleister für die Kieler Wirtschaftslobby großtun. Da diese Lobby nicht reicht, versucht die SPD es jetzt mit den Kleingärtnern, deren 12.000 Mitglieder sie auf die Straße bringen will, wenn die Stadt nicht genug Kleingarten-Parzellen beschafft. So überzeugt man Ratsherren!

Besser Punkten konnten da noch die GRÜNEN, die für ein Stadtregionalbahn-Projekt (SRB) warben. Es soll 350 Mio. kosten und als ÖPNV-Großvorhaben angemeldet werden. Wäre da nicht ein Haken dabei: Es soll laut Todeskino als Publik Privat Partnership (PPP) laufen (wie auch die Kieler Berufsschulen) mit den üblichen teuren Folgen für die Nutzer.

Ansonsten gaben sich die regierenden Ratsfraktionen sozial, kinder- und umweltfreundlich. Sie merken, dass dringend z.B. bei der Schulsanierung und  Kinder- betreuung etwas getan werden muss, damit es keine Aufstände gibt. Wollen sie damit ihre Kürzungen im Sozialen und Privatisierungen von Daseinsvorsorge verdecken? Ausbildung und Kinderbetreuung sind doch selbstverständliche Grundaufgaben einer kommunalen Verwaltung. Wie lange noch?

(uws)


in Mio. Euro

Anmerkung: Enthalten in den Einnahmen für die Jahre - 1999: 127,3 Mio. EUR für den Verkauf der KWG
- 2001: 173,7 Mio. EUR für den Anteilsverkauf der Stadtwerke
(Eigenanteil = Eigenmittel/Kredite)