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Karrikaturen-Streit:

„Ich befürchte Schlimmes“

Der Streit um die Mohamed-Karrikaturen nimmt immer groteskere Züge an. Kurz vor Redaktionsschluss hatte er auch auf Nigeria übergegriffen, wo er neuen Zündstoff für alte Konflikte zwischen moslemischen und christlichen Bevölkerungsteilen lieferte. Offensichtlich bildet der Streit für die Reaktionäre aller Lager, hierzulande, wie auch in manchem islamischen Land eine willkommene Gelegenheit um auf diesem Feuer ihr jeweiliges Süppchen zu köcheln. Rassisten hierzulande nutzen ihn, um auf die Migranten einzudreschen, rechte Fundamentalisten ist er ganz Recht, um die Frustrationen der ohne nennenswerte Perspektiven aufwachsenden Jugendlichen im Nahen Osten in religiöse Bahnen zu lenken. Hier wie dort lässt sich mit dem Streit hervorragend von den gesellschaftlichen Problemen ablenken, indem verschiedene Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufgehetzt werden.Angestoßen hatte das alles vor einigen Wochen eine dänische Zeitung, weshalb wir über das Thema mit Frank Aaen sprachen. Er ist außenpolitischer Sprecher der Rot-Grünen Einheitsliste (Enhedslisten / De Rød Grønne) im dänischen Parlament. Die Einheitsliste ist eine sozialistische Partei, die Anfang der 1990er Jahre aus der Kooperation verschiedener kommunistischer und sozialistischer Parteien hervorgegangen ist. Nach ihrem bisher besten Wahlergebnis im Februar 2005 stellt sie inzwischen sechs Abgeordnete in der Kopenhagener Volksvertretung und ist daneben in zahlreichen Kommunalparlamenten vertreten.  (wop)


 

LinX: Viele Zeitungen in Europa meinen, dass es beim Streit um die antiislamischen Karrikaturen in der dänischen Zeitung Jyllands Posten vor allem um die Verteidigung der Meinungsfreiheit geht. Sehen Sie das ähnlich?

Frank Aaen (F.A.): Das Recht auf freie Meinungsäußerung steht in Dänemark nicht in Frage. Jeder kann hier sagen und veröffentlichen, was er will. Die Frage ist allerdings, wofür dieses Recht benutzt wird. Im vorliegenden Fall hat die Zeitung es genutzt, um eine in Dänemark lebende Minderheit niederzumachen. In Dänemark gibt es seit einigen Jahren eine sehr islamophobe und ausländerfeindliche Entwicklung. Die Minderheiten werden zu Sündenböcken für alle möglichen Schwierigkeiten gemacht. In diesem Zusammenhang muss man die Karrikaturen sehen. Ein Teil des Problems ist, dass die bürgerliche Regierung mit Unterstützung der extrem rechten Dänischen Volkspartei regiert, die täglich Stimmung gegen Ausländer macht. Tatsächlich kann man sagen, dass die Rechtsextremen in Dänemark und die Fundamentalisten in den islamischen Ländern Hand in Hand arbeiten, um die Stimmung immer weiter anzuheizen.

LinX: Was für eine Art Zeitung ist Jyllands Posten? Ist denkbar, dass sie entsprechende Karrikaturen auch über den Pabst oder Jesus Christus veröffentlichen würde?

F.A.: Nein, natürlich nicht. Jyllands Posten ist eine rechte bürgerliche Tageszeitung. Eine solche Kampagne gegen Moslems würden sie nie gegen Juden oder die Kirche führen. Deshalb wäre es Aufgabe der dänischen Regierung gewesen, sofort einzugreifen. Sie hätte klar machen müssen, dass die Zeitung zwar das Recht haben mag, zu veröffentlichen, was sie will, aber dass die Regierung auf jeden Fall nicht mit dieser Kampagne einverstanden ist. Doch das ist nicht geschehen, weil  Premierminister Anders Fogh Rasmussen vor allem die Ausländerfeinde und die Dänische Volkspartei zufrieden stellen wollte, von der er abhängig ist.

LinX: Wie sieht diese Abhängigkeit aus?

F.A.: Formal haben wir eine Minderheitenregierung bestehend aus zwei bürgerlichen Parteien. Faktisch gibt es aber seit vier Jahren eine Mehrheitsregierung, denn in allen wichtigen Fragen, wie in der Ausländerpolitik und im Krieg gegen den Irak, an dem sich Dänemark beteiligt, stimmen die bürgerlichen Parteien mit der Volkspartei überein.

LinX: Sie haben einen offenen Brief an den Premierminister geschrieben. Was sind Ihre Forderungen?

F.A.: Wir verlangen vor allem, dass die Regierung die schwierige Lage der Einwanderer und Moslems in Dänemark anerkennt. Wir brauchen einen Dialog, der die Regierung, die Parteien und die Minderheiten zusammenbringt, um gemeinsam zu besprechen, wie man das Klima für die Minderheiten verbessern kann.

LinX: Was sind die Folgen der jüngsten Krise und der gewaltsamen Proteste im Nahen Osten? Verschlechtert sich die öffentliche Meinung gegenüber Einwanderern weiter?

F.A.: Ja. Einige sprechen bereits davon, man sollte alle islamischen Geistlichen ausweisen, und ehrlich gesagt glaube ich, wenn es so weiter geht, ist es nur eine Frage der Zeit, dass Geschäfte von Ausländern angezündet werden.

LinX: Was machen die Linke und die Organisationen der Einwanderer? Gibt es Demonstrationen gegen die Stimmungsmache?

F.A.: Darüber sprechen wir gerade. Es hat bereits einige spontane Proteste gegeben. Derzeit gibt es Diskussionen über mehr Demonstrationen und darüber, wie man einen Dialog mit den Minderheiten organisieren kann. Wir müssen zeigen, dass es ein anderes Dänemark gibt, das nichts mit der Kampagne von Jyllands Posten zu tun hat.

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