Der Holocaust und der verbotene Antisemitismus:
Bizarrer “Naturpark”
Der Brite David Irving ist von einem österreichischen Gericht wegen Leugnung des Holocaust zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Die Richter befanden den 67-Jährigen am Montag für schuldig, die Existenz der Gaskammern im Nazi-Todeslager Auschwitz abgestritten zu haben.
Irving hatte sich zuvor schuldig im Sinne der Anklage bekannt. Er habe bei Vorträgen in Österreich 1989 die Existenz von Gaskammern in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern bestritten, räumte er vor Gericht ein. Inzwischen habe er aber dazugelernt und eingesehen, dass seine damaligen Äußerungen "falsch" waren. Die Leugnung des Holocaust steht in Österreich wie auch in Deutschland unter Strafe. Der Brite wurde bereits mehrmals von Gerichten verurteilt, unter anderem in seiner Heimat und in Deutschland. Er hat in zahlreichen Ländern der Welt Einreiseverbot. Mit Sicherheit haben wir kein Mitleid mit dem notorischen Lügner Irving, insbesondere deshalb nicht, weil er offensichtlich nur aus Angst vor einer höheren Strafe Einsicht heuchelt. In seinem Gedankenbild hat sich nichts geändert, und das ist bei ihm – und bei viel zu vielen anderen – das eigentliche Problem. Diesem wird man mit Verboten nicht beikommen können.
Das Verbot der Auschwitz-Lüge ist bizarr. Nicht nur wird damit die vermeintlich bekämpfte Diskriminierung der Juden auf subtile Weise perpetuiert - in seiner Heimat vor antisemitischen Anwürfen geschützt werden zu müssen ist nicht weniger demütigend als die Anwürfe selbst. Aus diesem Grund hat sich der damalige Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Hendrik van Dam, vor Jahren gegen die Absicht verwahrt, ausgerechnet in Deutschland einen "strafrechtlichen Naturpark" für Juden anzulegen. Der jüdische Publizist Peter Sichrovsky hat bei der Gelegenheit auf eine ironische Volte der deutschen Rechtsgeschichte verwiesen: "Der Staat greift ein zweites Mal ein, in der selben Sache. Einmal, um Auschwitz aufzubauen und funktionieren zu lassen, und ein zweites Mal, um den zu bestrafen, der behauptet, es hätte es nie gegeben. So verteidigt der Staat seine Denkmäler." Das Verbot des Holocaust-Leugnens schützt nicht die von antisemitischen Pöbeleien in ihrer Ehre verletzten Juden. Dafür würde der Verweis auf den Beleidigungsparagrafen des Strafgesetzbuchs genügen. Seit Jahrzehnten ist in der Rechtsprechung unbestritten, dass Juden als Kollektiv vor Beleidigung geschützt sind. Geschützt wird durch das Verbot der so genannten Auschwitz-Lüge vielmehr ein Rechtsgut, das in der Rechtsgeschichte demokratischer Staaten bis dahin aus guten Gründen unbekannt war: das staatlich verfügte Geschichtsbild. Das Bestreiten des Holocaust ist dumm und abscheulich, die mathematischen Formeln, mit denen Alt- und Neo-Nazis die Zahl der Opfer "herunterzurechnen" versuchen, mögen widerlich sein, jede dieser Verharmlosungen ist abstoßend und wird von den Betroffenen zu Recht als beleidigend empfunden. Doch der Wahrheit des Holocaust ist nicht gedient, wenn sie im Strafgesetzbuch steht und nicht in den Köpfen der Bürger. Es dient ihr nicht, wenn sie geglaubt werden muss, nicht weil sie unwiderleglich, sondern weil sie befohlen ist. Die Machthaber der Staaten sind es, die Geschichte schreiben, aber wenn sich die Machthaber der Geschichtsschreibung bemächtigen, das Geschichtsbild nicht der Gesellschaft überlassen, sondern nach Fertigstellung im Strafgesetzbuch dekretieren, dann ist damit nichts über diese historische Wahrheit, aber alles über die Mächtigen in diesen Staaten gesagt - jedenfalls alles über ihr Vertrauen in die demokratische Substanz und in das rechtsstaatliche Bewusstsein ihrer Gesellschaften. In Deutschland, das sollten die Teilnehmer der Antisemitismus-Konferenz wissen, gibt es keinen Antisemitismus. Er ist gesetzlich verboten. Zuwiderhandlungen werden bestraft.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht nicht darum, das Verbot
von faschistischen Organisationen zu kritisieren oder gar abzulehnen. Diese
Verbote sind zweckmäßig, um das Entstehen von Strukturen zur
Verbreitung von rassistischem, antisemitischem oder antikommunistischem
Gedankengut zu erschweren. Es geht darum, Strategien zu entwickeln, dass
derartige Ideen sich gar nicht erst in den Köpfen festsetzen können.
Unsere gefährlichsten Gegner sind dabei nicht die tumben Schlägertrupps
der Skinheads, sondern die eloquenten Anzugtypen von NPD, DVU u. a., die
in Land- und Kreistagen und in manchem Gemeinderat sitzen. Mit diesen müssen
wir uns offensiv auseinandersetzen und deutlich machen, dass ihre Argumente
widerlegt werden können.
CSK