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Studiengebühren in Schleswig-Holstein:

Studis Aufgewacht?

Auch an der Kieler Uni rumort es. Wir sprachen mit Tristan Schwennsen, der Philosophie, Alte Geschichte und Nordistik studiert und Mitglied der neu gegründeten Studentengruppe „Unischläfer“ ist. (wop, das Interview erschien zuerst in der „jungen Welt“)

LinX: Während es in den letzten Jahren bundesweit an den Hochschulen Proteste hagelte, schien die Kieler Uni im Dauerwinterschlaf versunken. Seit einigen Wochen kann davon jedoch keine Rede mehr sein. Wie kommt das?

Tristan Schwennsen (T.S.): Weil es inzwischen auch hier akuten Handlungsbedarf gibt. Der Minister für Wissenschaft, Wirtschaft un Verkehr, Dieter Austermann von der CDU, hat ein Eckpunktepapier vorgelegt, die Einführung von Studiengebühren vorsieht. Darüber hinaus will er die Unis entdemokratisieren. Das Mitspracherecht der Studenten soll stark beschnitten werden. Außerdem will er eine sogenannte Präsidialverfassung, in der der Rektor nicht mehr Mitglied der Uni wäre, sondern von außerhalb käme. Wenn das durchgesetzt und die Uni künftig von einem Mann aus der Wirtschaft geleitet würde, dann sähen wir die große Gefahr, bei der Gestaltung der Studiengänge wirtschaftliche Interessen in den Vordergrund treten. Unter anderem liefe das sicherlich darauf hinaus, die Geisteswissenschaften stark beschnitten würden.

LinX: Das heißt, der Rektor oder Präsident würde künftig von der Landesregierung eingesetzt?

T.S.: Im Detail ist das noch nicht klar. Folgendes zeichnet sich aber bereits ab: Bisher sitzen in den zwei Entscheidungsgremien der Uni, dem Konvent und dem Konsistorium, jeweils die Vertreter der Professoren, der Mitarbeiter und der Studenten. Künftig, so die Vorstellung des Ministers, sollen in diesen Gremien auch „gesellschaftliche Gruppen“, das heißt, Vertreter der Politik, der Kirchen und auch der Wirtschaft, sitzen und ihre Interessen vertreten.

LinX: Und dagegen geht Ihr jetzt auf die Barrikaden?

T.S.: Eines unserer Probleme ist, noch immer viele gar nicht wissen, wie ernst die Situation ist. Das liegt auch daran, die Medien nicht ausreichend über diese Dinge berichten. Im Augenblick erleben wir es sozusagen am eigenen Leib, wie schwer es ist, unsere Anliegen in die Medien zu bekommen. Genauso bekommen wir über die Medien viel zu wenig von den Pritesten an anderen Hochschulen mit. Weil diese Informationen fehlen, ist die Motivation zum Protest relativ gering.

LinX: Aber immerhin hat sich in den letzten Wochen mit den „Unischläfern“ eine recht große und aktive Gruppe gebildet. Woher der ungewöhnliche Name?

T.S.: Am 18. Januar gab es eine gutbesuchte, allerdings nicht sehr ergiebige Vollversammlung, die der Allgemeine Studierendenausschuss organisiert hatte. Die Fachschaften luden ihrerseits nach der Versammlung zu einem Treffen ins Verwaltungsgebäude ein, auf dem konkret besprochen werden sollte, was man denn nun gegen Studiengebühren machen kann. Auf diesem Treffen entstand die Idee, Verwaltungsgebäude zu besetzen. Also blieben wir. Die Besetzung dauerte insgesamt elf Tage und Nächte, und so ist der Name entstanden. Den Betrieb des Rektorats haben wir übrigens in dieser Zeit nicht behindert, da die Unileitung auch gegen Studiengebühren ist. Wir haben die Aktion mehr genutzt, um die Studenten aufmerksam zu machen, was auch ganz gut geklappt hat.

LinX: Wie geht es weiter?

T.S.: Wir treffen uns fast wöchentlich, um weitere Aktionen vorzubereiten. Am 18. April, wenn das Sommersemester angefangen hat, wird es die nächste Demonstration geben. Desweiteren wollen wir Aufklärungsaktionen für die neuen Erstsemester machen, die sich jetzt einschreiben. Schließlich planen wir, Volksinitiativen ins Leben zu rufen, die auf Volksentscheide gegen Studiengebühren, gegen die Entdemokratisierung und gegen die Zusammenlegung der schleswig-holsteinischen Hochschulen hinarbeiten sollen.

LinX: Ihr habt euch auch darum bemüht, die Schüler zu informieren.

T.S.: Ja. Wir haben uns zum Beispiel am 22. Februar in Kiel mit 20 Leuten an einer Schülerdemonstration beteiligt. Die Gymnasiasten und Gesamtschüler wehren sich derzeit gegen eine Oberstufenreform, die die Leistungskurse abschaffen und vier einheitliche Prüfungsfächer einführen würde. Die jüngeren Schüler konnten mit unseren Problemen wenig anfangen, aber die älteren waren sehr interessiert. Schließlich werden sie ja vor allem die Betroffenen der Studiengebühren sein.