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Kommentar:

Politische Statistik

Man haut uns mal wieder die demografische Keule um die Ohren. Ein Berliner Institut hat die Daten des Statistischen Bundesamtes zur Bevölkerungsentwicklung genommen und mit ein paar ökonomischen Indikatoren verbunden. Herausgekommen ist, dass es für die Sozialversicherungen zappenduster aussieht. „Keine Babys, keine Rente“, so die simple Botschaft. Aber was ist an den Argumenten dran, die auf den ersten Blick so logisch klingen? Wenn immer weniger Menschen im arbeitsfähigen Alter sind, dann zahlen auch weniger in Kranken- und Rentenkassen ein, oder? Folgendes wird dabei gerne übersehen:

Erstens: Die Generation der Arbeitenden versorgt nicht nur die Alten, sondern auch die Jungen. Die Zahl der Alten nimmt zu, die der Jungen aber dramatisch ab. Unter dem Strich ist damit der Zuwachs der solidarisch zu Versorgenden gar nicht so groß, wie immer behauptet; aber wie das mit politisch motivierter Statistik nunmal so ist, scheint keiner bisher diesen Effekt einbezogen zu haben.

Zweitens: Die Produktivität wächst Jahr für Jahr so etwa im Bereich zwischen 1,5 und 2 Prozent. Das hört sich nicht nach viel an, heißt aber, dass im Jahre 2050 die Hälfte der Menschen ausreichen, den Reichtum zu erarbeiten, den wir heute haben. So wie heute ein paar Hunderttausend Bauern 82 Millionen Menschen ernähren können, so nimmt auch in anderen Bereichen die notwendige Arbeit ständig ab. (Man denke nur, was erst für paradiesische Zustände herrschten, wenn auf all die überflüssigen Arbeiten wie Rüstungsproduktion und ähnliches verzichtet würde.)

Drittens: Entgegen der landläufigen Meinung sind die Gesundheitskosten nicht explodiert. Sie sind zwar kräftig gestiegen, aber die Gesellschaft ist auch reicher geworden. Ihr Anteil am Bruttosozialprodukt hat sich seit 1980 nur um 0,7 Prozentpunkte erhöht.

Viertens: Das Problem der Sozialversicherung liegt nicht auf der Ausgaben- sondern auf der Einnahmenseite. Durch die langanhaltende Massenarbeitslosigkeit, das faktische Einfrieren der Reallöhne seit über zehn Jahren sowie die Ausbreitung von Minijobs und anderen mies bezahlten Beschäftigungsverhältnissen, wird immer weniger eingezahlt. Das fehlende Geld ist bei denen zu suchen, die von Lohndrückerei und Massenarbeitslosigkeit profitieren. (wop)