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Naziaufmarsch am 3.6. in Kiel verhindert und verboten

Das Kieler alternative Kulturzentrum „Alte Meierei“ lag mehrere Monate mit dem Besitzer des Gebäudes, der Stadt Kiel, in Verhandlungen. Die Auflagen und Richtlinien der Behörden, sahen verschiedene bauliche Veränderungen vor, die insbesondere den Brandschutz betrafen. Die Renovierungen wurden durch die Nutzerinnen und Nutzer des Zentrums in Eigeninitiative geleistet. Vorübergehend wurde der Veranstaltungsbetrieb wurden durch die Stadt stillgelegt. Nach einer mehrmonatigen Kampagne gegen das Konzertverbot durch die Stadt Kiel erfolgte die Wiedereröffnung des Zentrum am 3. + 4. Juni 2006.

Die Ankündigung des „Meierei-Festes“ nahmen die Neonazis von NPD und Freien Kameradschaften zum Anlass eine Demonstration für den 3. Juni 2006 unter dem Motto „Keine Steuergelder für Chaotenzentren!“ anzumelden. Nachdem sie die eigentlich gewünschten Routen, vorbei am Zentrum „Alte Meierei“, bzw. ausweichend durch die Innenstadt Kiels nicht erhielten, wurde ihnen von der Ordnungsbehörde der Landeshauptstadt der Marsch durch den Citynahen Stadtteil Kiel-Hassee/Süd genehmigt.

Als das Vorhaben des Naziaufmarsches am 30.5. abends bekannt wurde, meldete der „Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus, Kiel“ unverzüglich eine Kundgebung, ebenfalls am 3.6., gegen den Naziaufmarsch an. Innerhalb von 3 Tagen wurden Flugblätter, Plakate und andere Informationsmöglichkeiten zur Mobilisierung genutzt. Die örtliche Presse wurde ebenfalls über die Kundgebung der antifaschistischen Kräfte informiert.

Der „Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus, Kiel“ geht davon aus, dass die Wiedereröffnung der „Alten Meierei“ nur ein Vorwand für die Nazis ist, um mit ihren rassistischen und antisemitischen Parolen durch die Straßen Kiels zu ziehen und den Nationalsozialismus zu verherrlichen.

Das Ziel der NPD und anderer Neonazis ist es, sich in Kiel als politische Kraft zu etablieren – dies haben sie immer wieder, insbesondere nach den großen antifaschistischen Demonstrationen in Kiel, betont. 1999 haben über 80 Organisationen und Personen zur Demonstration gegen einen Naziaufmarsch aus Anlass der „Wehrmachtsausstellung“ aufgerufen. Über 3.000 Menschen haben sich den Nazis in den Weg gestellt. Im Januar 2005 gelang es einem breiten gesellschaftlichem Bündnis mehr als 8.000 Menschen zu mobilisieren und sich erfolgreich gegen den Naziaufmarsch zur Wehr zu setzen. Beide Demonstrationen der Nazis wurde nach verkürzter Route vorzeitig beendet.Und auch Infostände der NPD mit Kundgebungen mussten in der Vergangenheit immer beendet werden, da die Proteste und der Widerstand der Bevölkerung zu groß wurden.

Nun wollten die NPD und Freien Kameradschaften einen genehmigten Marsch durch ein Wohngebiet durchführen und ihre rassistische, antisemitische und faschistische Hetze verbreiten, noch dazu in unmittelbarer Nähe des Jüdischen Friedhofs, der an ihre Route grenzte. Dies war ein Skandal, den wir nicht hinnehmen konnten.

Im Flugblatt des Runden Tisches haben wir uns an die Bevölkerung des Stadtteils gewandt, und forderten sie u.a. mit folgenden Vorschlägen zu Aktivitäten gegen den Naziaufmarsch auf:

Insbesondere wenden wir uns an die Anwohnerinnen und Anwohner, die an der geplanten Demoroute leben: beteiligen Sie sich in vielfältiger und kreativer Form und bringen ihren Protest gegen die Nazis zum Ausdruck!

Wir wollen die Nazis nicht in unseren Straßen haben und wir können das deutlich zeigen:

• Wir können vor unseren Häusern stehen und lautstark unseren Protest zeigen

• Wir können uns mit Freunden auf der Straße bewegen – es ist unsere Stadt

• Wir können auf Transparenten und Plakaten zeigen, was wir von Nazis halten

• Wir können laute Musik aus den Fenstern spielen und den Nazis den Marsch blasen

• Wir können unsere Blumen gießen und die Nazis im Regen stehen lassen

Noch am Freitagvormittag, den 2.6., wurde in den Kieler Nachrichten über den von der NPD organisierten Aufmarsch mit angekündigten 150 Teilnehmern, sowie über die geplante Gegenkundgebung des „Runden Tisches“ berichtet.

Am Freitagnachmittag wurde dem „Runden Tisch“ telefonisch vom Ordnungsamt der LH Kiel mitgeteilt, dass „soeben die Demonstration der NPD von den Ordnungskräften verboten wurde. Die Einsatzkräfte der Polizei können aufgrund diverser anderer Veranstaltungen in Kiel – u.a. die Meisterschaftsfeier des THW-Kiel und die deutsche Fußballmeisterschaft der Obdachlosen – nicht für die Sicherheit der Anhänger der NPD-Demonstration garantieren. Nach den Recherchen der Polizei werden mindesten 1500-2000 antifaschistische Kundgebungsteilnehmer erwartet, zusätzlich zu den mobilisierten Antifaschisten aus Kiel.“

Nach den Äußerungen des Polizeichefs von Kiel, ist das Verbot des Naziaufmarschs bisher ein einmaliges Vorkommen. Mit anderen Worten bedeutet dies: weil die Antifaschisten viele Menschen für ihre Kundgebung erreicht haben und ein großer Widerstand gegen den Naziaufmarsch erwartet wurde, wurde der Aufmarsch verboten.

Dies ist als ein Erfolg jahrelanger antifaschistischer Arbeit in Kiel zu werten. Denn nur durch die Aktivitäten und Erfahrungen der vergangenen Jahre, gerade auch in der Zusammenarbeit der unterschiedlichsten Kräfte von Gewerkschaftern, Christen, Sozialdemokraten, Grüne, Kommunisten, Autonomen und unter nichtpolitisch-organisatorisch gebundenen Antifaschisten, haben wir heute die Möglichkeit auch in kürzester Zeit große Teile Bevölkerung zu mobilisieren.

Die antifaschistische Kundgebung am 3.6. fand wie vorgesehen statt. Das Verbot des Naziaufmarschs war über Funk, Fernsehen und Zeitung bereits bekannt, dennoch haben ca. 400 Antifaschisten teilgenommen.

Die NPD hatte eiligst einen Antrag auf Durchführung einer Spontandemonstration in der benachbarten Stadt Preetz eingereicht. Auch dort wurde ihr Marsch verboten.

Einig waren sich die antifaschistischen Kundgebungsteilnehmer darin, auch in der Zukunft den Neonazis rechtzeitig und konsequent gemeinsam entgegenzutreten.

Der „Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus, Kiel“ erklärte die Notwendigkeit, auch in Zukunft weiter aktiv zu bleiben. Dabei ist die Unterbindung jeglicher Naziaktivitäten auf Straßen und in öffentlichen Räumen nur ein Punkt der Arbeit. Weitere wichtige Aufgaben der Kieler Erklärung des Runden Tisches sind u.a.: „Die Diskussion über alternative Gesellschaftsmodelle, in denen Faschismus keine Chance hat“, „Die Zurückweisung aller Versuche, im Namen des `Kampfes gegen den Rechtsextremismus´ allgemeine demokratische Rechte einzuschränken“ sowie die Forderung nach dem „Verbot und die vollständige Auflösung der NPD und aller anderen faschistischen Organisationen“.

(Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus, Kiel)