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Einige Anmerkungen zum Artikel von csk:

Eine Insel der Demokratie?

Zwei Dinge vorweg: 1. In Nahost wird es nur Frieden geben, wenn es ein gerechter ist. Dazu gehört eine Zweistaatenlösung in den Grenzen von 1967, gleiche Rechte für die israelischen Araber, eine Lösung für die palästinensischen Flüchtlinge, die nach über 50 Jahren zum Beispiel im Libanon noch immer unter erbärmlichen Bedingungen leben, eine Aufgabe aller Siedlungen im Westjordanland und ein Rückzug von den Golanhöhen bzw. eine einvernehmliche Regelung mit Syrien. Besonders kritische Punkte sind Jerusalem, für das realistischer Weise wohl eine internationale Lösung gefunden werden müsste, und die Frage der Flüchtlinge. Am Ende muss keinesfalls die Aufnahme aller 1948 (zum Teil mit Terrormaßnahmen und Massakern) vom israelischen Territorium Vertriebenen und ihrer  Nachkommen stehen, aber zumindest ein Schuldeingeständnis Israels und ein substantielles Eingliederungsprogramm, für das zum Beispiel die EU einen erheblichen Beitrag leisten könnte, um zum Frieden beizutragen. Wichtig wäre sicherlich angesichts des aufgestauten Hasses auf beiden Seiten eine handfeste internationale Sicherheitsgarantie für alle Seiten, die aber sicherlich nicht von Mächten wie den Europäern oder den USA umgesetzt werden kann, die in diesen Kriegen parteiisch waren und geostrategische Interessen in der Region verfolgen.

2. Wir sollten nicht vergessen, dass Kriege in mindestens 99 Prozent aller Fälle aus dem Machtkalkül beteiligter Politiker und Militärs begonnen werden und der „kleine Mann“ – egal auf welcher Seite – seinen Kopf dafür hinzuhalten hat. In den USA leben heute rund zehn Prozent der Veteranen der letzten Kriege als Obdachlose auf der Straße, weil sie, schwer traumatisiert, ihr Leben nicht mehr in den Griff bekommen.

Das vorausgeschickt einige Anmerkungen zur Darstellung der israelischen Politik: Zu sagen, Israel hat sich aus dem Südlibanon zurückgezogen und Hisbollah habe einfach weitergekämpft, trifft die Sache nicht ganz. Zum einen hält Israel noch einen kleinen Flecken libanesischen Territoriums am Rande der Golanhöhen besetzt. Zum zweiten reagiert Hisbollah natürlich auch auf die israelische  Besatzungspolitik in den palästinensischen Gebieten, die nicht nur in den arabischen Ländern, sondern in weiten Teilen der Dritten Welt als überaus skandalös und Ausdruck westlichen Imperialismus empfunden wird. Und vor allem hatte der Rückzug Israels 2000 eine  Vorgeschichte. Die Israelischen Verteidigungskräfte haben sich nicht aus freien Stücken zurückgezogen, sondern aufgrund des  Guerilla- kampfes der Hisbollah. Kurz vor ihrem Abzug hatten sie noch in Kana ein Massaker an rund 100 Zivilisten angerichtet, die sich in einem UN-Stützpunkt in trügerische Sicherheit gebracht hatten. 18 Jahre hatte Israel den Südlibanon besetzt gehalten und in dieser Zeit ist Hisbollah groß geworden. Zuvor war die Region übrigens eine Hochburg der libanesischen KP, die anfänglich einen Guerillakrieg gegen die israelischen Besatzer führte, dann jedoch von Syrien von dort verdrängt und durch Hisbollah ersetzt wurde. In der Zeit der  Besatzung unterhielten Israels Quislinge von der Südlibanesischen Armee in Al Khiam ein Folterzentrum, ein großes Gefangenlager in dem Menschen über Monate in kleinen Kammern, in denen sie nicht einmal aufrecht stehen konnten, in Dunkelhaft gehalten wurden. Im November 2001 hatte ich Gelegenheit, mir das Lager, das inzwischen zu einem Museum ausgebaut worden war, anzuschauen und hatte nicht den Eindruck, dass die libanesischen Genossen von einer KP-nahen Jugendorganisation, die die Tour organisiert hatten, uns Märchen aufgetragen haben.

In Israel sind übrigens immer noch Gefangene aus dieser Besatzungszeit interniert, und zwar ohne je vor Gericht gestellt worden zu sein. Nehmen wir die vielen extralegalen Hinrichtungen der israelischen Militärs in den palästinensischen Gebieten und die massive  Aus- grenzung der israelischen Araber (die unter anderem keine Ausländer heiraten dürfen, also zum Verlassen ihres Heimatlandes gezwungen werden, wenn sie sich mit jemanden aus den besetzten Gebieten verheiraten wollen) hinzu, dann relativiert sich csks Beschreibung Israels als einer demokratischen Oase in einem Meer autoritärer Regime (von denen übrigens die meisten treue Verbündete des Westens sind). Ist das historische Gedächtnis tatsächlich so kümmerlich, dass die exzellenten Beziehungen Tel Avivs zum Apartheidregime Südafrikas und zu den diversen Militärdiktaturen Lateinamerikas schon gänzlich vergessen sind?

Was folgt aus all dem? Sicherlich nicht, dass Kritik an der israelischen Politik gleichbedeutend damit ist, dass das Existenzrecht Israels in Frage gestellt wird. Aber wie die Dinge stehen, ist es vor allem die herrschende Politik Israels und deren Bündnis mit den USA, die die Gefahren für Israel wachsen lassen. Arafat und die Al Fatah hatten Israels Existenzrecht längst anerkannt. Zum Dank wurde ihre Regierung in Schutt und Asche gebombt, das zivile Leben in den besetzten Gebieten stranguliert und der Alltag für die Menschen immer unerträglicher gemacht, bis sie schließlich mehrheitlich Hamas ihre Stimme gaben.
 

 (wop)

 
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