Nächste Seite
Bundesweit gegen Verelendungspolitik:

Massenhaft gegen Merkel

Als „Warnruf aus der Mitte der Gesellschaft“ hat DGB-Chef Michael Sommer die vom Gewerkschaftsbund am 21. Oktober auf die Beine gestellten Demonstrationen bezeichnet. Nach Veranstalterangaben beteiligten sich rund 220.000 Menschen an den Protesten. Im Mittelpunkt der Kundgebungen in Berlin, Dortmund, München, Stuttgart und Frankfurt am Main standen die Kritik an der  »Gesundheitsreform«, der Erhöhung des Rentenalters sowie den Steuersenkungen für Unternehmer.

„Wenn die Regierung ihre Reformpolitik nicht am Maßstab sozialer Gerechtigkeit ausrichtet, fürchte ich, dass unsere Demokratie dauerhaft Schaden nimmt“, erklärte Sommer in Stuttgart, wo sich nach DGB-
Angaben 45.000 Menschen versammelten. „Wir wollen, dass es wieder gerecht zugeht in unserem Land“, meinte auch IG-Metall-Chef Jürgen Peters vor rund 30.000 Demonstranten in  Dortmund. In München, wo ebensoviele Teilnehmer gezählt wurden, prägten neben den großen Gewerkschaftsblöcken und  Beleg-
schaften von Schließung bedrohter Werke wie Infineon und BenQ sowie Basisinitiativen den kilometer-
langen Demonstrationszug. „Zehn Euro Mindestlohn“ forderte die Münchner Gewerkschaftslinke und die  Arbeitsgemeinschaft Nürnberger Arbeitsloser machte auf einem breiten Fronttransparent die Verantwortung der Gewerkschaften gegenüber Erwerbslosen deutlich: „Der Widerstand gegen  Arbeitslosigkeit beginnt in den Betrieben“. „Enteignet Infineon“ forderten Arbeiter des vor der Schließung stehenden Pasinger Werkes des Chipherstellers und eine GEW-Gruppe propagierte den „Generalstreik“ als „Beitrag zur Gesundheits-
reform“. Neben den  Gewerkschaften hatte auch das globalisierungskritische Netzwerk ATTAC, das Aktionsbündnis Sozialproteste (ABSP) sowie die  Linkspartei.PDS und die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) und diverse Sozialverbände zu den Demonstrationen mobilisiert. In Berlin zogen rund 15.000 Menschen an einer vom DGB-Vorstand nicht unterstützten Demonstration zum Brandenburger Tor. Zur dortigen Gewerkschaftskundgebung kamen 80.000.

Auf der Gegenseite zeigte man sich indes wenig beeindruckt: „Wir muten den Menschen was zu“, meinte Kanzlerin Angela Merkel beim „Deutschlandtag“ der Jungen Union am 21. in Wiesbaden in Reaktion auf die Proteste ein. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla kritisierte die Demonstrationen gegen die Regierung in der ARD mit den Worten: „Der DGB hat keinen einzigen Vorschlag gemacht, um die Reformvorhaben der vergangenen zwölf Monate gerechter zu gestalten.“ CSU-Generalsekretär Markus Söder bezeichnete den DGB gar als „das eigentliche Standorthindernis für Deutschland“. Mit den Gewerkschaften, von denen man „nur Gemaule und Blockade“ höre, sei „kein Staat zu machen“. Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer, dessen Partei für die kritisierten „Hartz-Reformen“  mitverantwortlich zeichnet, gab sich hingegen verständnisvoll. Die Menschen hätten den Eindruck, „diese Regierung hört ihnen nicht mehr zu“, sagte er in der ARD.
 

(dab, nib. Der Artikel erschien zuerst in der jungen Welt)