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Hansestadt Hamburg:

Zehn Milliarden hinterher geschmissen

Über Geld redet man nicht – schon gar nicht in den vornehmen Kreisen der Hansestadt Hamburg. Deswegen hat der Hamburger ver.di-Vorsitzende Wolfgang Rose auch keine Antwort bekommen, weder vom Hamburger Senat noch von den Reichen in dieser reichsten Stadt Deutschlands. Rose hatte aufgelistet: Die zehn reichsten Hamburger verfügen über ein Gesamtvermögen von 28 Milliarden Euro. Von den 300 reichsten Deutschen leben 36 in der Hansestadt. Sie verfügen über ein Gesamtvermögen von 43 Milliarden Euro. Die Zahl der Superreichen in der Stadt und in Deutschland insgesamt steigt rasant – ebenso wie die Zahl der Armen, der Sozialhilfe- und Hartz-IV-Empfänger. Inzwischen sind es 200000 Menschen, rund 11,8 Prozent aller Einwohner Hamburgs. Auch sie reden – oft aus Scham – nicht über das Geld, das ihnen fehlt.

Hamburg ist das fortgeschrittenste Beispiel einer allgemeinen Entwicklung: Die Reichen werden allein durch die Verzinsung ihrer  Vermögen (d.h. ohne eigene Leistung) immer reicher, während die Armen dank Lohndumping und Hartz IV immer ärmer werden. Wolfgang Rose stellt fest: „Wenn das Vermögen der sieben Reichsten in Hamburg das Zweieinhalbfache des Hamburger Haushalts ausmacht, ist es geradezu die Pflicht einer Gewerkschaft, die stärkere Beteiligung der Vermögenden an der Finanzierung der öffentlichen Aufgaben in dieser Stadt einzufordern.“ Allein bei den 36 reichsten Hamburgern brächte eine nur einprozentige Vermögenssteuer jährlich 432 Millionen Euro. Für die gesamte Bundesrepublik würden sich zusätzliche Einnahmen von rund 16 Milliarden Euro ergeben.

Weitere Entlastungen

Die Bundesregierung hat bisher keinerlei Anstalten gemacht, den immensen Reichtum in Deutschland für die Finanzierung staatlicher Leistungen abzuschöpfen. Im Gegenteil: Die Unternehmen, so die offizielle Doktrin, müssen entlastet werden, damit sie zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Also belässt man es dabei: Vermögen, so immens es auch immer sein mag, wird in Deutschland nicht besteuert. Zusätzlich wurde Anfang November vom Kabinett ein Gesetzentwurf zur Senkung der Unternehmenssteuern verabschiedet. Danach soll die Körperschaftssteuer von 25 auf 15 Prozent und damit die Gesamtsteuerlast (Körperschaftssteuer plus Gewerbesteuer) von    Kapital- gesellschaften und GmbHs von jetzt 38,7 auf 29,8 Prozent gesenkt werden. Tatsächlich, so haben EU-Experten berechnet, liegt die steuerliche Belastung dieser Unternehmen in Deutschland dank zahlreicher „Gestaltungsmöglichkeiten“ bereits heute bei rund 20 Prozent.

Prinzip Hoffnung

Trotzdem sollen den Unternehmen unterm Strich um weitere fünf Milliarden Euro erlassen werden. Einer Entlastung von 29 Milliarden Euro steht eine Gegenfinanzierung von 24 Milliarden Euro gegenüber. Die Regierung erhofft sich zusätzliche Einnahmen durch folgende Maßnahmen: Die Gewerbesteuer kann in Zukunft nicht mehr als Betriebsausgabe geltend gemacht werden: 10,24 Milliarden. Die beschleunigte Abschreibung von Anlagen wird abgeschafft: drei Milliarden. Der Rest der angeblichen Gegenfinanzierung durch die Schließung von Steuerschlupflöchern beruht auf dem Prinzip Hoffnung. Die Unternehmen sollen zukünftig Gewinne, die sie zuvor ins Ausland verschoben hatten, wieder in Deutschland versteuern: 3,64 Milliarden. Zusammen mit anderen, kleineren Maßnahmen, rechnet der Finanzexperte Professor Lorenz Jarass vor, ist bestenfalls mit Mehreinnahmen von 19 Milliarden Euro zu rechnen, also unter dem Strich einem Steuerverlust durch die Unternehmenssteuerreform von mindestens zehn Milliarden Euro.

Gleichzeitig wird die normal- oder geringverdienende Bevölkerung im nächsten Jahr vor allem durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer, durch negative Auswirkungen der Gesundheitsreform und andere Sozialabbau-Maßnahmen mit rund 30 Milliarden Euro belastet – im Durchschnitt sind das rund 460 Euro pro Jahr für jeden einzelnen der etwa 65 Millionen Arbeitnehmer, Arbeitslosen, Rentner, Kinder, Auszubildenden und Studenten in Deutschland. Von den 20 Milliarden zusätzlicher Steuereinnahmen durch die höhere Mehrwertsteuer wird die Hälfte den Unternehmern geschenkt. Die Reichen werden reicher, die Armen werden ärmer – die Regierung hilft nach.
 

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