Berlin, Peine, Göttingen. Das Aktionsbündnis Sozialproteste (ABSP), ein bundesweites Netzwerk von Erwerbslosen- und Sozialprotest- initiativen, beschloss bei seinem bundesweiten Treffen am 12.05.07 in Peine, im Herbst 2007 eine Kampagne gegen prekäre Be- schäftigung durchzuführen.
Die Arbeitsgruppe Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung hat am 9. Mai ihren Bericht der Öffentlichkeit vorgestellt. Edgar Schu, Sprecher des ABSP, lehnt im Namen des Aktionsbündnis dort gemachte Empfehlungen ab: „Das Ziel von Arbeits- und Sozialpolitik muss darin bestehen, die Aushöhlung des Sozialversicherungssystems rückgängig zu machen und ein menschenwürdiges Leben für alle zu ermöglichen. Durch Zwang zur Arbeit oder zunehmende materielle Bedrängnis, wie die von der Bundesregierung empfohlene Bürgerarbeit und die Reduzierung der Zuverdienstmöglichkeiten für Alg II-Empfänger, entstehen aber keine neuen, existenzsichernden, sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze.“ Im Gegenteil würden die Menschen gezwungen, aus der immer größeren Repression als Erwerbslose in Niedriglohnverhältnisse, wie zum Beispiel einen immer weiter ausufernden Leiharbeitssektor, zu flüchten. Die Bürgerarbeit wäre eine weitere Verschärfung des sanktionierten Zwanges zu Niedriglohn. Aus Niedrig- und Armutslöhnen würden aber keine soliden finanziellen Grundlagen für die Sozialversicherungen aufgebaut.
„Die Zeit ist reif für einen kürzeren, voll bezahlten Normalarbeitstag. Um den Weg dafür frei zu machen, muss in dieser Gesellschaft ein menschenwürdiges Einkommen sowohl mit als auch ohne Arbeit ausgezahlt werden können,“ so Schu. „Die Unternehmen lassen aber keine Arbeitszeitverkürzung bei Lohn- und Personalausgleich zu, und die Belegschaften in den Betrieben stehen unter der zunehmenden Angst vor Drangsalierung, die mit drohender Arbeitslosigkeit verbunden ist,“ gab Schu zu bedenken.
Auf dem zweimonatlich stattfindenden bundesweiten Treffen bestätigte das ABSP seine Forderungen: Alg II-Regelsatzerhöhung auf 500 EUR, repressionsfrei, und einen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens zehn EUR. An der Gewerkschaftsbasis und auf Haupt- vorstandsebene gewinnt diese Forderung an Kraft, so fordert z.B. der GEW-Hauptvorstand mit Beschluss vom März diesen Jahres 500 EUR Regelsatz und einen deutlich nach oben korrigierten gesetzlichen Mindestlohn
(http://www.erwerbslos.de/images/stories/dokumente/kampagnenseite/materialien/gew_beschluss.pdf).
Gesetzliche Mindestlöhne und deutlich steigende Tariflöhne müssten nach Ansicht des ABSP aus den kräftig sprudelnden Gewinnen der Unternehmen finanziert werden. Das Volkseinkommen sei im letzten Jahr um 52 Mrd. EUR gestiegen, die Netto-Lohnquote aber von 48,1 Prozent im Jahr 1991 auf 41,2 Prozent im Jahr 2005 gesunken. Die Lohnquote für 2006 ist aufgrund von weiter gesunkenen Löhnen wahrscheinlich noch weiter gefallen.
Das ABSP fordert einen Ausbau des öffentlich geförderten Beschäftigungssektors zur Umwandlung der sogenannten 1-Euro-Jobs in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse mit einem Lohn von mindestens zehn EUR.Um entschieden einzugreifen, will das Netzwerk zu einer bundesweiten Kampagne in vielen Orten im Herbst mobilisieren.
Das ABSP will ebenfalls in Aktionen die Situation von jungen, erwerbslosen Menschen aufzeigen, die durch Werber der Bundeswehr in Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit (BA) rekrutiert werden. Pia Witte von der Koordinierungsstelle des ABSP in Leipzig erläutert: „Offensichtlich ist die allgemeine Beschäftigungslage immer noch hoffnungslos genug, so dass die Bundeswehr die BA für ein gutes Rekrutierungsfeld hält. Die Hartz-Gesetze haben keine Arbeitsplätze geschaffen, sondern erleichtern die Militarisierung der Gesellschaft.“
Die Teilnehmer des gestrigen Treffens
des ABSP beschlossen außerdem, dass die Mobilisierung zu den Protesten
gegen den G8 Gipfel und für die Europäischen Märsche 2007
gegen Armut und Existenzunsicherheit nach Rostock/Heiligendamm weiter geführt
und verstärkt werden soll. Sie verurteilten den Versuch der Bundesanwaltschaft,
durch eine offenbar willkürliche und politisch motivierte Anti-
Terror-Fahndung nach §129a am 9. Mai mit 900 Polizisten den Protest
gegen G8 zu bekämpfen und zu kriminalisieren.