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MVV-Konzern

Drastische Strompreiserhöhung bei den Kieler Stadtwerken

Ab dem 1. Oktober haben die Stadtwerke Kiel bzw. genauer gesagt der MVV-Konzern für seine 160.000 Kunden in Kiel und Umland eine Strompreiserhöhung auf 19,16 Cent, also um 6,6% angekündigt. Niemals zuvor gab es eine derart starke Anhebung des Strompreises bei den Stadtwerken. Hinzu kommt dann auch noch die 3%ige Mehrwertsteuererhöhung um die gestiegenen Rüstungsausgaben des Bundes zu finanzieren. Begründet wird diese Erhöhung der Preise mit den Erzeugungs- und Beschaffungskosten an der Leibziger Strombörse, der 25% des Strompreises ausmachen würde. Hinzu kämen Steuern und Netzentgelte.

Tatsächlich sind die Kieler  Stadtwerke nicht direkt von den Preisen auf dem Strommarkt abhängig, denn sie produzieren selbst Strom mit billiger Importkohle auf dem Ostufer und in weiteren sechs dezentralen Kraftwerken mit Erdgas, welches sie in großen Mengen unterirdisch auf Vorrat halten.Dem MVV-Konzern geht es allein darum, an den allgemeinen Preissteigerungen der drei großen Stromkonzerne teilzuhaben und einen Extraprofit einzufahren.

Besonders merkwürdig ist auch die Erwähnung der Netzgebühren, denn sie haben die von der Bundesnetz-
agentur vorgeschriebene Senkung der Netznutzungsgebühren bereits als Begründung benutzt um einen Personalabbau von über 480 Kollegen der Kieler Stadtwerke bis 2010 durchzusetzen und leistungsbezogene Vergütungen zu kürzen. Als Grund wurde angeführt, dass der Konzern nicht auf die Dividende und die Gewinne der Aktionäre verzichten will und dies wurde auch noch von den städtischen Vertretern im Aufsichtsrat unterstützt. Insgesamt sollen die Stadtwerke sich auf das Kerngeschäft konzentrieren und damit meint der MVV-Konzern den gewinnträchtigen Strommarkt.Dementsprechend werden jetzt alle Geschäftsbereiche ausgelagert oder stillgelegt, wenn sie nicht dem profitablen Anforderungen der MVV-Zentrale entsprechen.


Welche Folgen es hat, wenn die gewinnorientierte Konzerne beim Service und bei der Wartung sparen, können wir uns gut anhand der umgeknickten Strommasten in Erinnerung rufen.

Aktuell werden bei den Stadtwerken mit ca. 290 "betroffenen" Kollegen Einzelgespräche mit der Firmenleitung und Betriebsrat geführt, in denen ihnen nahegelegt wird, bis zum 2. Oktober mit einer Abfindung von ca. 25.000 Euro einer sog. "Sprinterprämie" den Betrieb zu verlassen. Ansonsten würden sie in eine Fachkräfte-Servicegesellschaft ausgegliedert, also auf ein Abschiebegleis mit ungewisser Zukunft. Der Betriebsrat soll angeblich mit der Konzernleitung die Verlängerung der Tarifverträge bis 2013 ausgehandelt haben, solange die Gewinne nicht einbrechen. Eine seltsame Logik, die Tarifverträge von den Gewinnen abhängig zu machen. Gerade hatte die Stadt Kiel die öffentliche Stromversorgung bei den eigenen Stadtwerken gekündigt und nach einer europaweiten Ausschreibung an einen Bremer Stromversorger vergeben. Also schon mal ein Auftragsverlust von ca. 6 Mio. bei dem regionalen Stromversorger Stadtwerke Kiel, und dies obwohl die Stadt Kiel 49%iger Anteilseigner ist.

Wie gesagt, geht es dem MVV-Konzern im wesentlichen darum, mit den Kieler BürgerInnen vor allem mit dem Stromverkauf Gewinne zu machen und deshalb jetzt die erneute Strompreiserhöhung auf Teufel komm raus! MVV konnte seinen Umsatz in den letzten 9 Monaten um drei Prozent auf 1,77 Mrd. steigern. Sie beschweren sich aber bei den Verbrauchern, dass diese wegen des warmen Winters weniger verbraucht haben, insgesamt gut 33 Mio. weniger.

Woran man sehen kann, dass ein Konzern kein Interesse am Stromsparen hat

Angeblich wurde das operative Ergebnis auch noch "durch Personalrückstellungen in Kiel, Mannheim und Solingen um weitere 13 Mio. belastet". Ob damit wohl die Abfindungssummen für Personalkürzungen gemeint sind? Es ist zu befürchten, dass zukünftig in den Stadtwerken mit Minderung der Qualität für Dienstleistungen und Netze zu rechnen ist.  Denn das Fachpersonal wird vor die Tür gesetzt und durch ständige Umsetzungen und Ausgliederungen demoralisiert. In Kiel hört man bereits, dass die früher üblichen Spülungen der Wassernetze ausbleiben, die nötig sind, um die Wasserqualität zu sichern.

"Wer auf Kundennähe als Wettbewerbsvorteil setzt, hat gute Karten für die Zukunft. Und deshalb hat der neue Anteilseigner der Stadtwerke Kiel, die MVV Energie, von vornherein Wert darauf gelegt, die intakten Strukturen zu nutzen und den hohen Markenwert der Stadtwerke Kiel zu wahren und weiter auszubauen." So konnte man es noch im Geschäftsbericht der Stadtwerke 2005 lesen. Am 15.8.2007 haben die Stadtwerke nun bekannt gegeben, dass der Hauptverwaltungssitz im Knooper Weg, eine lukrative Immobilie in der Kieler Innenstadt, geschlossen wird um 1.1 Mio. jährlich einzusparen. "Durch den begonnen Personalabbau und die Umstrukturierung im Unternehmen werde man mittelfristig einen erheblichen Leerstand an Büro- und Werkstattflächen haben." soll Vorstandschef Stefan Grützmacher den KN gegenüber gesagt haben. Es stimmt also: Werkstätten und Service werden abgebaut. Die Dienstleistung soll angeblich nicht darunter leiden. Durch "unabhängige Berater" sollen weitere Einsparmöglichkeiten untersucht werden und die noch 350 Mitarbeiter mit den 650 in Hassee zusammengelegt werden. Letztendlich ist dies nur eine Fortsetzung des durch den texanischen Konzern TXU begonnenen Ausverkauf der Kieler Stadtwerke bis zur vollständigen Zerschlagung des ehemals kommunalen Betriebs.

Entwicklung der Strompreise der Stadtwerke Kiel

Jahr
Netto
Brutto
1995
0,134 € 
0,1541 €
1996
0,134 €
0,1541 €
1997
0,134 €
0,1541 €
1998
0,132 €
0,1518 €
1999
0,129 €
0,1496 €
2000
0,1171 €
0,1358 €
2001
0,1191 €
0,1382 €
2002
0,1196 €
0,1387 €
2003
0,1170 €
0,1357 €
2004
0,1195 €
0,1386 €
2005
0,1255 €
0,1456 €
2006
0,1305 €
0,1475 €
ab Oktober 2007
0,161  €
0,1916 €

Gegen die Strompreiserhöhungen regt sich in Kiel erheblicher Widerstand

Die Stadtwerke haben etliche Protestbriefe und Einsprüche von ihren Kunden erhalten. In einem Formbrief wird den Energiekonzernen vorgeworfen, dass an der Leibziger Strombörse Preisabsprachen stattfinden, um den Preis künstlich hochzuhalten. Die Stadtwerke werden zudem verdächtigt, mit dieser Erhöhung den Bau des neuen rentablen Kohlekraft-Dreckschleuder zu finanzieren.

Die Verbraucherzentrale empfehlt einen Vergleich der Stromtarife und rät zum Wechsel zu einem günstigen Anbieter auf dem liberalisierten Strommarkt. Hier machen mittlerweile nicht nur die großen Energie-
konzerne gute Gewinne, sondern auch Finanzbetrüber wie Mobilcom Gründer Gerhard Schmidt wollen mit dem Energiehandel absahnen. Selbst zum sog. Umweltstrom lässt sich wechseln, angeblich ohne Mehrkosten. Dies wird u.a. von Greenpaece empfohlen.

Bleibt die Frage ob ein Wechsel des Stromanbieters das Problem wirklich löst oder ob es nicht der bessere Weg wäre, die Stadtwerke bevor sie vollends zerstört sind zurückzukaufen. Über eine demokratische Kontrolle durch die BürgerInnen und durch  rechenschaftspflichtige kommunale Vertreter kann eine zukunftssichere, ökologische und bezahlbare Energieversorgung erfolgen, die nicht vom Profitinteresse der großen Konzerne abhängig ist.

(uws)