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Zur Ehrung des Kriegsverbrechers Alfried Krupp in Kiel

Es ist schon einige Tage her, dass im Kieler Express (18.08.07) ein Artikel über die feierliche Einweihung einer bronzenen Büste Alfried Krupps von Bohlen und Halbach erschien. Ein Foto zeigt die Bronzebüste an ihrem Standort vor dem Kieler Yacht Club Gebäude am Hindenburgufer.
 
 

Die Krupp-Büste stand bis vor Kurzem an der Straße vor dem Kieler Yachtclub.Mit der Umbenennung in „Alfried Krupp Haus“ verschwand sie. Warum?

Anlass für den Festakt war der fiktive 100. Geburtstag des „Stahl-Unternehmers“. Zu feiern war für den in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Verein Kieler Yacht Club wohl auch, dass die Immobilie von der ThyssenKrupp AG für 2,45 Millionen Euro gekauft wurde. Dementsprechend ließen sich die Konzernchefs feiern. Der Stiftungsvorsitzende und Kieler Ehrenbürger Berthold Beitz dankte dem Vorstandsvorsitzenden Ekkehard D. Schulz, „dass die ThyssenKrupp AG mit dem Erwerb des Hauses Kieler Yacht-Club die alte Verbundenheit des Unternehmens mit der Stadt Kiel und dem Segelsport so nachdrücklich unterstreicht“. Dagegen ließe sich nichts einwenden, handelt es sich doch um eine privatwirtschaftliche Angelegenheit. Wer ein Haus kauft, kann auch  bestimmen, dass es zukünftig „Alfried Krupp Haus“ heißen soll. Und der Hinweis auf die geschichtliche Verbundenheit des Unternehmens und der Stadt Kiel ist eine Tatsache. Die Rüstungsschmiede war mit der Germaniawerft und den Torpedo-Werkstätten Mitverursacher zweier Weltkriege. Nicht zuletzt ist die Zerstörung großer Teile der Stadt während des Bombenkrieges auf die Anwesenheit des Rüstungskonzerns in Kiel zurückzuführen.

Aber wie es mich schon immer gestört hat, dass eine öffentliche Straße am prominenten Fördeufer nach dem Antidemokraten und Totengräber der Weimarer Republik, Hindenburg, benannt ist, so störend ist die Ehrung des Kriegsverbrechers Krupp. Und dass demokratisch gewählte Staatsvertreter, wie der Minister-
präsident  Carstensen und die Oberbürgermeisterin Volquartz, an dem Festakt teilnehmen, ist nicht hinnehmbar. Das „Journalisten“ im Kieler Express die Ehrung eines Kriegsverbrechers nicht kritisieren wollen oder nicht dürfen, nehmen wir nur noch mit einem Achselzucken hin. Wie die Kieler Nachrichten darüber berichtete entzieht sich meiner Kenntnis.

Eckhard Colmorgen

 
Der nachfolgende Text stammt aus einem Standardwerk zur Geschichte des Nationalsozialismus, das im Fischer Taschenbuch Verlag 1987 erschienen ist.

Krupp von Bohlen und Halbach, Alfried (1907-1967)

Sohn von Gustav Krupp von Bohlen und Halbach. Er erlangte 1943 die alleinige Kontrolle über die längst sprichwörtlich gewordene Firma und war eine Schlüsselfigur der NS-Wirtschaft. Geboren wurde er am 13. August 1907 in Essen. er studierte technische Wissenschaften in München und schloß das Studium mit der Prüfung zum Diplomingenieur ab. 1936 bis 1943 war er Vorstandsmitglied des Essener Unternehmens, dem die Verantwortung für zwei wesentliche Zweige des Konzerns, den Montanbereich und die Rüstungswerke, oblag, wobei die Rüstungswerke wesentlich zur militärischen Wiederaufrüstung Deutschlands beitrugen. Seit Beginn des Krieges 1939 sorgte K. dafür, daß ein unaufhörlicher Strom von Panzern, Munition und Waffen zu den Truppen an die Front ging.

K. war für die Verlagerung von Betrieben aus den besetzten Gebieten verantwortlich, die man demontierte, nach Deutschland transportierte und hier wieder aufbaute. 1942 beaufsichtigte er die Übernahme der ukrainische Eisen- und Stahlindustrie. Beim Wiederaufbau der Elektrostahlwerke von Mariupol in den Berthewerken (Breslau) setzte er Häftlinge eines benachbarten KZs ein, das er von einer seiner Inspektionsreisen her kannte. Im Juni 1943 erhielt der Konzern die Erlaubnis, Juden aus Auschwitz in Essen als Arbeiter zu verwenden, wo die Lebensbedingungen besser waren als in den polnischen Todeslagern. Nach einem Übereinkommen mit dem Minister für Rüstung und Kriegsproduktion Albert Speer beschäftigte K. 45 000 russische Zivilisten als Zwangsarbeiter in seinen Stahlwerken, desgleichen 120 000 Kriegsgefangene und 6 000 weitere Zivilisten in seinen Kohlebergwerken – alle unter Arbeits- und Wohnbedingungen, die weit unter dem aus gesundheitlichen Gründen zulässigen Minimum lagen. Sogar in Auschwitz richtete er eine Munitionsfabrik ein, und leitende Angestellte seiner Firma reisten oft in die besetzten Gebiete, um die Aushebung neuer Zwangsarbeiter für das Unternehmen vorzubereiten.

1943 wurde K. alleiniger Leiter und Eigentümer des Krupp-Imperiums, das durch die sogenannte Lex Krupp (ein Ausnahmegesetz, wonach die 175 deutschen Betriebe der Familie und ihre 60 ausländischen Filialen eine Steuereinheit bildeten) von der Erbschaftssteuer befreit war. Außerdem wurde er zum Wehrwirtschaftsführer ernannt. Als solcher hatte er die Aufgabe, sämtliche Hilfsquellen der deutschen Rüstungsindustrie zu mobilisieren. Ab März 1943 erlitten die Werke in Essen sowie andere Teile des Wirtschaftsimperiums der Familie durch alliierte Bombenangriffe schwere Schäden, und je unausweichlicher die deutsche Niederlage wurde, desto mehr drängte der bis dahin den NS-Machthabern unerschütterlich ergebene K. auf Entschädigung und Schuldenrückzahlung. Kurz vor Kriegsende wurde K. zusammen mit Direktoren seiner Firma von kanadischen Truppen gefangengenommen und stellvertretend für seinen nicht haftfähigen Vater vor das Nürnberger Militärgericht gestellt. Am 31. Juli 1948 verurteilte man ihn als Hauptkriegsver- brecher zu zwölf Jahren Haft und Einziehung seines gesamten Vermögens. Die barbarische Behandlung der Kriegsgefangenen und anderer Insassen der Kruppschen Arbeitslager und die Demontagen ausländischer Industrieanlagen waren die Begründung für diesen Schuldspruch. Doch K. saß nur drei Jahre seiner Haftstrafe ab und wurde am 4. Februar 1951 dank einer Generalamnestie des amerikanischen Hochkommissars John McCloy (der von Beruf selbst Bankier war) für verurteilte Industrielle vorzeitig aus dem Gefängnis in Landsberg entlassen. Auch sein unermeßliches Vermögen – man schätzte es auf 45 bis 50 Millionen Pfund Sterling – sowie das konfiszierte Eigentum seiner Gesellschaft wurden ihm zurückerstattet.

1953 durfte er seine alte Position als Chef des Familienunternehmens einnehmen, und trotz einer Auflage der Alliierten Hohen Kommission, die Kohlen- und Stahlbeteiligungen abzustoßen, gewannen die Kruppwerke rasch ihre frühere Position als führender Stahlproduzent in Europa zurück. Als K. am 30. Juli 1967, unheilbar krank, an Herzversagen starb, befand sich sein über- dimensionierter Firmengigant am Rande des Zusammenbruchs. Als seine letzte Maßnahme mußte K. sein Familienunternehmen den deutschen Großbanken überantworten, deren finanzielle Unterstützung allein die Firma rettete. Nach seinem Tode und nach erfolgreicher Neuordnung erholte sich das Unternehmen wieder, doch seine bewegte Geschichte als Familienbetrieb war zu Ende.

(Robert Wistrich: Wer war wer im Dritten Reich? Ein biographisches Lexikon. Anhänger, Mitläufer, Gegner aus Politik, Wirtschaft und Militär, Kunst und Wissenschaft. Frankfurt a.M. 1987)