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auf & davon

Es gibt wohl kaum etwas, worüber in Deutschland keine amtliche Statistik geführt wird; außer vielleicht die Rüstungsexporte, die Einkommen der Vorstandsmitglieder der DAX-Konzerne, die Entwicklungshilfe für Militärdiktaturen und andere unwichtige Dinge. Dafür wissen wir Dank des statistischen Landesamtes für Hamburg und Schleswig-Holstein jetzt, dass zwischen Nord und Ostsee im vergangenen Jahr 32,7 Millionen Euro für Flüchtlinge nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ausgegeben wurde. Das waren 6,5 Prozent weniger als im Vorjahr und lausige 11,60 Euro pro Schleswig-Holsteiner. Woran man sieht, dass Zahlen manchmal wirklich erhellend sein können: Während die „zivilisierte Welt“ in Afghanistan und Irak Krieg gegen die Zivilbevölkerung führt, Iraks Nachbarländer mehrere Millionen Flüchtlinge versorgen müssen, nimmt das reiche Deutschland, dass wie kaum ein anderes Land vom Export seiner Waren in alle Welt lebt, immer weniger Menschen in Not auf. Das kann man wohl mit einigem Recht die organisierte Barbarei nennen.

Die ist inzwischen grenzüberschreitend: In Süditalien stehen derzeit sieben tunesische Fischer vor Gericht, weil sie vor der italienischen Insel Lampedusa 44 offensichtlich schiffbrüchige Menschen an Bord nahmen und sie ans sichere Land brachten. Derlei Verhalten ist nicht nur ein elementares Gebot der Menschlichkeit, sondern wird auch vom internationalen Seerecht vorgeschrieben. Die italienische Justiz sieht darin allerdings "Begünstigung illegaler Einwanderung", da es sich um Flüchtlinge aus Afrika handelte, unter ihnen zwei Kinder und zwei Schwangere. Die Fischer hatten sie erst aus den Schlauchbooten aufgenommen, als sich trotzt Notrufs kein italienische Rettungsboot sehen ließ. Die italienischen Behörden nahmen die Fischer am 8. August fest und beschlagnahmten ihre Boote. Daheim warten derweil die Familien auf ihre Ernährer, aber das schert die Wärter der Festung Europa nicht.

In vielen Ländern Afrikas ist derweil die Not so groß, dass, wer es sich nur irgendwie leisten kann, sein Heil weiter in Europa sucht. Im letzten Jahr landeten allein auf den Kanarischen Inseln etwa 31.200 Menschen. Schätzungsweise 7.000 weitere bezahlten die riskante Überfahrt – riskant, weil die EU-Staaten ihre Schikanen gegen Flüchtlinge und Migranten mehr und mehr verstärken – mit dem Tod. In diesem Jahr scheint es noch schwieriger geworden zu sein: Auf den Kanaren landeten bisher „nur“ 6.500 Migranten, 7.000 weitere in Süditalien und Malta. Ein Grund dafür ist vermutlich, dass aufgrund des Drucks der EU nord- und westafrikanische Staaten zunehmend aggressiv gegen durchreisende Migranten aus anderen afrikanischen Ländern vorgehen. In Marokko haben die Behörden seit Januar 80.000 so genannter Illegaler abgefangen, in Algerien 8.000, berichtet die taz. Auch in Libyen, Mauretanien, Senegal und Gambia würden regelmäßig Migranten aus anderen Ländern Westafrikas festgenommen.

Es gibt allerdings auch gute Nachrichten, was in dieser Spalte leider nicht allzu oft vorkommt: Das Landesinnnenministerium hat Ende August den Abschiebestopp für Bürger Sri Lankas um weitere drei Monate verlängert. Der Anlass ist allerdings – wie sollte es anders sein – ein sehr trauriger: Auf der südasiatischen Insel spitzt sich der Konflikt zwischen Regierung und tamilischen Separatisten erneut zu, und die Zivilbevölkerung gerät mehr denn je zwischen die Fronten.

wop