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Billiglohnland Deutschland:
Armut nimmt zu

Die Nettolöhne sind 2006 auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren gesunken. Nach einer Statistik des Bundesarbeitsministeriums, lag der Nettorealverdienst nach Abzug von Steuern, Sozialbeiträgen und bei Berücksichtigung der Preisentwicklung im vergangenen Jahr im Schnitt bei 15.845 Euro im Jahr – etwa so hoch wie 1986 mit umgerechnet 15.785 Euro. Die Bruttolöhne waren vergleichsweise gering gestiegen, da die Unternehmer „Zusatzleistungen“ wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld abgebaut haben. Außerdem waren steigende Preise, höhere Sozialabgaben und Steuern zu berücksichtigen. Die Gesamtabzüge vom Bruttolohn hatten im letzten Jahr ein Rekordniveau erreicht. Im Schnitt habe ein abhängig Beschäftigter 9291 Euro an Lohnsteuer und Sozialbeiträgen gezahlt – soviel wie nie zuvor. 1986 lagen die Abzüge noch bei 5607 Euro. Die durchschnittlichen Bruttolöhne sind im selben Zeitraum nur von 22.333 Euro auf 33.105 Euro im Jahr gestiegen. Auch die Inflation hat den Angaben zufolge zu Reallohnverlusten geführt. So legten die Löhne in den vergangenen fünf Jahren um 4,1 Prozent zu, die Preise dagegen um 7,1 Prozent.

Nicht erfasst sind die sittenwidrigen Billiglöhne, die längst Bestand teil der deutschen Wirtschaft sind. Der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes (ZDB), Hans-Hartwig Loewenstein, „Wir schätzen, dass bis zu 150.000 Bau-Beschäftigte keinen  Mindest- lohn erhalten“. „Hinzu kommen viele Arbeitnehmer, die nur den niedrigeren Ost-Lohn bekommen, obwohl sie auf einer West-Baustelle arbeiten. Den Behörden gelingt es kaum, diese Verstöße einzudämmen“, sagte Löwenstein. Es gibt in sechs Wirtschaftszweigen tarifliche Mindestlöhne, die vom Wirtschaftsministerium für allgemeinverbindlich erklärt wurden. Diese gelten für alle Betriebe und Beschäftigten in der jeweiligen Branche, auch wenn sie nicht tarifgebunden sind. Die Höhe schwankt je nach Branche und Region zwischen 12,50 Euro (Fachwerker, Bauhauptgewerbe Westdeutschland) und 6,36 Euro (Gebäudereinigerhandwerk Ost).

Abkassiert haben Unternehmer und Reiche. Sie haben den gesamten Zuwachs, ca. 85 Mrd. Euro, der vergangenen zehn Jahre in die eigene Tasche gesteckt Und zusätzlich zu den 85 Milliarden Euro auch noch zwölf Milliarden Euro von uns einkassiert. Ein Plus von fast einhundert Milliarden Euro! Jetzt organisieren die Unternehmer einen erneuten Angriff auf den Sozialstaat: „Steuern und Sozialabgaben runter“ – fordern arbeitgebernahe Ökonomen lautstark in Tateinheit mit der Bild-Zeitung. „Steuern und Sozialabgaben runter“ bedeutet aber: weniger Geld für unsere Gesundheit, für Erwerbslose, Rentnerinnen und Rentner sowie für Bildung, Kinderbetreuung und eine bessere Umwelt.

Ca. 2,5 Millionen KollegInnenn arbeiten in Deutschland in befristeten Arbeitsverhältnissen, fast 5 Millionen verdienen ihr Geld mit Minijobs, 650.000 sind ZeitarbeiterInnen. Mehr 1,1 Millionen Menschen beziehen ALG-II-Leistungen, obwohl sie  sozialver- sicherungspflichtige Arbeit haben.

Inzwischen sind fast zehn Prozent der Bevölkerung von Armut und Perspektiv-losigkeit bedroht. Das sind etwa 6,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger. In Westdeutschland hat sich die Kinderarmut seit 1989 mehr als verdoppelt. Die Zahl in Armut lebender Kinder in Deutschland ist auf ein Rekordniveau von rund zwei Millionen gestiegen. Im „Rot-Roten“ Berlin ist jedes dritte Kind von Armut betroffen.

Die Ungleichheitsverteilung von Armut und Reichtum hat auch weltweit weiter zugenommen. „Verdiente“ noch 1960 das reichste Fünftel der Menschheit 30mal mehr als das ärmste, hat sich diese Relation heute auf etwa 75:1 erhöht.

(hg)