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Kommentar:
Hungern für die Tankfüllung?

Ein Gespenst geht um in Europa – und anderswo. Nein, nicht das Gespenst des Kommunismus – leider –, sondern das der Inflation. Besonders die Lebensmittelpreise ziehen immer mehr an, nicht nur hierzulande, wo man von ALG II inzwischen kaum noch das Notwendigste kaufen kann, sondern rund um den Globus. Entweder versuchen Regierungen wie in Argentinien mit Ausfuhrzöllen die Preise niedrig zu halten und müssen deshalb harte Auseinandersetzungen mit ihren Bauern bestehen, oder die hohen Weltmarktpreise schlagen voll auf die lokalen Märkte durch, was dann die ärmsten Bevölkerungsschichten mit voller Wucht trifft. In einer Reihe von Ländern hat das in den vergangenen Monaten bereits zu Demonstrationen und Straßenschlachten geführt. Im westafrikanischen Burkina Faso, einem der ärmsten Länder des Planeten dauern die Auseinandersetzungen schon seit Wochen an.

Hierzulande ist die Not sicherlich wesentlich kleiner, aber selbst viele Normal-Verdiener, die die Lohnraub-
politik der letzten Jahre längst zu Gering-Verdienern gemacht hat, beschleicht beim Blick auf den Konto-
auszug regelmäßig ein mulmiges Gefühl. Leider sind auch die bisherigen Tarifabschlüsse kaum geeignet, das auf Dauer zu ändern. Die mit einem breiten Währungskorb berechnete Preissteigerungsrate liegt derzeit im Euro-Raum bei 3,5 Prozent jährlich. Wenn allerdings Lebensmittel stärker und zum Beispiel sich verbilligende Elektronik weniger gewichtet, wie es ein Schweizer Statistiker kürzlich für einen speziellen Rentner-Warenkorb getan hat, dann kommt man zu einem deutlich höheren Ergebnis.

In der Schweiz liegt es bei sechs Prozent. Hierzulande dürfte die Rate ähnlich hoch sein. Neben Unwettern in wichtigen Anbaugebieten und einer gestiegenen Nachfrage auf dem Weltmarkt ist eine der Ursachen für die Verteuerung der Nahrungsmittel der Boom bei den nachwachsenden Rohstoffen. Angesichts sich abzeichnender Erdölknappheit soll der automobile Wahnsinn mit so genanntem Bio-Sprit verlängert wird. Doch wer die Leidtragenden dieser Entwicklung sein werden, kann man derzeit beobachten. Eine radikale Umkehr in der Verkehrspolitik mit Ausbau der öffentlichen Systeme wie Bahn, Straßenbahn und Bus ist daher nicht nur eine klima- und umweltpolitische sondern auch eine soziale Forderung von hoher Dringlichkeit.

(wop)