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Kommentar:
Fauler Kompromiss

Glaubt man den Meinungsumfragen, dann gibt es kaum ein Vorhaben der großen Koalition, dass so unpopulär ist, wie die  Bahn- privatisierung. Doch in den politischen Parteien, sieht man einmal von der Linksfraktion ab, ist diese Mehrheitsmeinung kaum wiederzufinden. Union und FDP sind ganz in der Hand der Privatisierungsfetischisten, nur in der SPD grummelt es. Die SPD wäre allerdings nicht die SPD, wenn sie nicht aus ihren inneren Widerständen und dem absoluten Willen zum Erhalt der Regierungspöstchen – manche halten das für die Macht – einen überaus faulen Kompromiss zaubern würde.

Nun soll also die Bahn in Netz- und Betriebsgesellschaft zerlegt und letztere zu 24,9 Prozent privatisiert werden. Alles deutet daraufhin, dass sich die Berliner Koalition rasch auf diese Formel einigen wird. Die Sozialdemokraten meinen, mit diesem Kniff sei bestimmender privater Einfluss verhindert. Zwei Dinge verschweigen sie dabei allerdings schamvoll: Zum einen bedeutet auch eine  Minderheits- privatisierung, dass die Bahn auf Dauer Rendite abwerfen muss. Beim Stand der Dinge kann diese nur mit verstärktem Druck auf die Beschäftigten, verschlechtertem Service und erhöhten Preisen finanziert werden. Ganz so, wie wir es von der Mehdorn-Bahn schon kennen, nur schlimmer.

Zum anderen ist das, was uns als SPD-interner Kompromiss verkauft wird, der die Parteilinke beruhigen soll, in Wirklichkeit ein Vorschlag der FDP. Die hatte sich bei der Geschichte folgendes gedacht: Wir fangen mal mit einer Minderheitslösung an, die das Eis bricht. In nicht allzu ferner Zukunft werden dann größere Investitionen fällig, die der staatliche Mehrheitseigner nicht finanzieren kann oder will. Also holt man sich das Geld mit der Ausgabe neuer Aktien herein, sodass der Anteil des Privatbesitzes steigt. Irgendwann ist dann die Bahn-Betriebsgesellschaft mehrheitlich in privater Hand.

Aber noch ist das FDP-Kuckucksei nicht durch den Bundestag gebracht. An der Basis der SPD regt sich nach wie vor starker Widerstand, ATTAC und zahlreiche andere Organisationen machen gegen die Privatisierung mobil, sodass noch nicht aller Tage Abend zu sein scheint. Für eine klimafreundliche Verkehrspolitik wäre ein Erfolg der Privatisierungsgegner dringend notwendig.

 (wop)