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CDU-Ratsherr auf Abwegen:
In der braunen Zone

Nachdem bekannt geworden war, dass auf Einladung der schleswig-holsteinischen Sektion der Staats- und Wirtschaftspolitischen  Ge- sellschaft (SWG) sowie des Deutsche Marinebundes der russische Politologe und Historiker Wjatscheslaw Datschischew in Kiel  auftreten sollte, war die Empörung groß. Datschischew, vormals außenpolitischer Berater von Michail Gorbatschow, war nach  Beobachtungen des Hamburger Verfassungsschutzes wiederholt auf Veranstaltungen der extrem rechten „Gesellschaft für freie Publizistik“ aufgetreten, regelmäßiger Beiträger für die NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ und für die „Nationalzeitung“ des Rassisten und  DVU- Vorsitzenden Gerhard Frey und zudem – zusammen mit dem extrem rechten Verleger Gerd Sudholdt sowie dem niedersächsischen NPD-Funktionär Andreas Molau – im Vorstand der „Stiftung Kontinent Europa“. Die Stiftung mit Sitz in Schweden war 2004 als Sammelbecken der europäischen extremen Rechten gegründet worden und verfolgt in scharfer Frontstellung gegen die vermeintliche Islamisierung und Amerikanisierung Europas eine rassistisch-ethnopluralistische Politik für eine „großeuropäische Zivilisation“. Sie wolle dazu betragen, dem drohenden "physischen Tod" durch Masseneinwanderung sowie dem "politischen Tod" durch den „amerikanischen Kulturimperalismus“ entgegenzuwirken.

Zum Politikum wurde die Angelegenheit nicht zuletzt dadurch, dass der einladende Regionalleiter der SWG, Stephan Ehmke, zugleich zahlreiche Ämter für die CDU ausübt. Als Ratsherr und schulpolitischer Sprecher vertritt Ehmke die CDU im Kieler Rathaus, sitzt im geschäftsführenden Fraktionsvorstand und ist als Pressesprecher des Kieler Kreisverbandes für dessen Außendarstellung verantwortlich. Kurz vor den Kommunalwahlen bot sich die Einladung einer “internationale Größe des Rechtsextremismus” (so der Hamburger Verfassungsschutz“) natürlich als Steilvorlage für die Opposition an. Nach öffentlichen Bekanntwerden des politischen Hintergrundes des 83jährigen Datschischews luden zwar sowohl der Marinebund als auch die SWG ihren Referenten kurzfristig aus, politisch war das Kind aber in den Brunnen gefallen.

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Cathy Kietzer forderte die CDU-Ratsfraktion auf, sich unmissverständlich und öffentlich von Ehmke zu distanzieren; Lutz Oschmann, Häuptling der Kieler Bündnisgrünen und Koalitionspartner der CDU erklärte die Aktivitäten Ehmkes zur „Belastung für die schwarz-grüne Kooperation“. Auch die Landesebene mischte sich ein: DGB, SPD und selbst die FDP verurteilten die Einladung, der Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Robert Habeck, forderte „bei wiederholten Zweifeln an der demokratischen Integrität eines Mitglieds“ personelle Konsequenzen. Selbst die Kieler Nachrichten berichteten über den Hintergrund der abgesagten Veranstaltungen.

Gespalten reagierte indes die CDU. Der Landesverband distanzierte sich in einer knappen Mitteilung überraschend deutlich: „Die CDU begrüßt die Absage der Veranstaltung. Der Kieler Ratsherr Stephan Ehmke hat diese Entscheidung umgehend getroffen, nachdem ihm Vorwürfe bekannt wurden, der eingeladene Referent Wjatscheslaw Daschitschew sei dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen. Dies war auch dringend geboten.“ Weniger souverän äußerte sich der Kieler Fraktionschef und Vorstandskollege Ehmkes, Robert Cordes, der keine Anlassung zur Distanzierung von Ehmke sah. Dieser würde vielmehr in der Fraktion hervorragend mitarbeiten und sei „nie mit rechtslastigen Aussagen aufgefallen.“ Da Cordes zudem erklärte, dass ihm die SWG nicht bekannt sein, hier einige Hintergrundinformationen:

Die SWG

Die 1962 gegründete SWG stellt ein wichtige Schnittstelle zwischen Rechtskonservatismus und dem organisierten Rechtsextremismus. Dazu betreibt die Gesellschaft “konservative Bildungsarbeit” im “vorparlamentarischen Raum”, aktuell hauptsächlich in Hamburg, Hannover und Kiel. Politisch waren (und sind) die Referenten fast durchgängig am äußersten rechten Rand von CDU/CSU, in der Mehrzahl jedoch im Lager der extremen Rechten, beheimatet. Auf Veranstaltungen referierten u.a. der Sohn des letzten österreichischen Kaisers, der Vorsitzende der Paneuropa Union und außenpolitische Berater der CSU-nahen Hans Seidel-Stiftung, Otto von Habsburg, der sich auch im Hilfskomitee für die Freiheit des Kriegsverbrechers Rudolf Heß engagiert hatte, der selbsternannte  „Nationalrevolutionär“ und Autor der extrem rechten Wochenzeitschrift Jungen Freiheit, Wolfgang Venohr. Im Mittelpunkt der Veranstaltungen stehen die “Sorge um das Schicksal der deutschen Nation”, der Kampf gegen die europäische Integration und der vermeintliche Siegeszug der „Neomarxisten“. Mit „wissenschaftlichem“ Anstrich versehen, werden vor allem revanchistische und revisionistische Thesen vertreten.

Der Vorsitzende der SWG, Brigadegeneral a.D. Reinhard Uhle-Wettler, der in dem aktuellen Fall die Absage der Veranstaltung auf eine gemeinsame Kampagne der „linksradikalen“ taz, des NDR und – ausgerechnet – der Kieler Nachrichten zurückführte, erklärte beispielsweise, dass es „anders als für die Vertreibung und die Kriegsgefangenen“ bis heute „noch keine amtlichen Dokumente über den Massenmord an den Juden“ gäbe. Den vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder ausgerufenen „Aufstand der Anständigen“ kritisierte er als „Ermunterung des Denunziantentums“ und untertäniges Verhalten, „in diesem Falle gegenüber den Juden in Deutschland und möglicherweise auch der Sozialistischen Internationalen, welche die einmal errungene Macht mit allen Mitteln zu festigen sucht.“ Zum 60. Jahrestag des Kriegsendes ließ er verlautbaren: „Deutschlands historische Schuld, die Singularität des Verbrechens des Holocaust und der vom Dritten Reich begonnene Eroberungs- und Vernichtungskrieg“ seien eine „verfügte sozialistische  Geschichtsinterpretation“.

Naziverbrechen verharmlost

In diesem Sinne heißt es auch in den einleitenden Bemerkungen zur Rede von Angela Merkel vor der Knesset am 18. März 2008 auf der Homepage der SWG aktuell: „Der Massenmord der Nationalsozialisten an den Juden ist keineswegs `im deutschen Namen´, sondern unter strengster Geheimhaltung und im Ausland verübt worden. Die immer wieder zu Zweifeln und Missdeutungen führende Nennung von 6 Millionen wäre an dieser Stelle besser unterblieben, um nicht als politisches Symbol der Einzigartigkeit missverstanden zu werden. […] -  Die öffentliche Bekundung der „historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels“ als Teil der Staatsraison ist angesichts der Konflikte und Kriegsgefahren im Nahen Osten eine diplomatische Fehlleistung, die ihr Beispiel in dem Englischen Beistandsversprechen an Polen vom 31.3.1939 findet. (...) Es wird hier deutlich, wie sehr deutsche Politik in der Gefahr ist, sich von moralischen Argumenten anstatt von nüchterner Interessenabwägung leiten zu lassen.“

In Schleswig-Holstein ist die SWG, ausgehend von einer ersten Veranstaltung mit dem Ritterkreuzträger Hans-Jörg Kimminich, verstärkt seit 1997 präsent. Diese Veranstaltung war zugleich der Startschuss zu den Aktivitäten gegen die von über 60.000 Menschen besuchte Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1945“ im Kieler Landeshaus und die Ausstellungsmacher Reemtsma und Heer, als deren wesentlicher Motor die SWG gelten kann. In einer in den Kieler Nachrichten geschaltete Anzeige hieß es: Die Ausstellung „spaltet statt zu versöhnen und verhöhnt so die Leiden und das Opfer der Millionen von Wehrmachtsangehörigen.“   Unter- schrieben war die Anzeige von dem gesamten Spektrum, dass sich von der SWG angesprochen fühlt, also dem rechten Rand der Christdemokraten bis bekennenden Rechtsextremen wie z.B. Fritjof Berg (Kieler Liste für Ausländerbegrenzung), Rüdiger Dorff (Bund Heimattreuer Jugend der Freibund e.V., Deutsche Hochschulgilde Theodor Storm), dem ehemaligen Kieler Arzt und REP-Funktionär im Bundesvorstand Dr. Jens Steffen oder dem Mitbegründer der Grünen und Ökofaschisten Baldur Springmann.

Rechte Gäste

Höhepunkt der Kampagne war eine Veranstaltung im Kieler Yacht-Club (der im Übrigen heute wieder nach dem NS-Profiteur und Sklavenhalter Alfried Krupp von Bohlen und Halbach benannt ist) mit dem aussagekräftigen Titel „Wider den Missbrauch der deutschen Geschichte zu politischen Zwecken.“ Moderiert wurde die Veranstaltung von dem inzwischen verstorbenen CDU-Rechtsaußen Uwe Greve, langjähriger Vorsitzendes des Bismarckbundes und der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung. Es referierten u.a. Albrecht Jebens, Vorstandsmitglied der „Gesellschaft für freie Publizist“ (laut Verfassungsschutz die bedeutendste extrem Rechte Kulturvereinigung) sowie der Historiker Walter Post, einer der eifrigsten Vertreter der geschichtsrevisionistischen Präventivkrieg-These. Egal, ob das ehemalige Gebiet der DDR als „Mitteldeutschland“ bezeichnet wurde, oder ob ein weiterer Referent, Rüdiger Proske, sich durch die „Wehrmachtsausstellung“ an 1933 erinnert fühlte und sich zu der Behauptung verstieg, die „Soldaten der Wehrmacht sind die Juden von heute“ – alles wurde mit Beifall quittiert.

In diesem Zusammenhang wurde eine Beschwerde beim Rundfunkrat mit der Aufforderung, einem Journalisten eine Rüge zu erteilen, zurecht abgelehnt. Dieser hatte am 19. August 2000 in einer Sendung des NDR über nationalkonservative, antisemitische und revanchistische Organisationen berichtet, die eine Schnittstelle zwischen der extremen Rechten und dem konservativen Lager bilden und als ein Beispiel die SWG aufgeführt.

Auch in den folgenden Jahren – bis heute – trat die SWG in Kiel wiederholt mit Veranstaltungen an die Öffentlichkeit, beispielsweise mit dem Herausgeber der Jungen Freiheit, Dieter Stein, dem aus der CDU ausgeschlossenen Martin Homann oder dem ebenfalls geschassten Leiter der KSK, General Günzel. Noch immer stellt sie ein wichtiges Bindeglied zwischen dem konservativen Flügel der CDU, den Vertriebenenverbänden, Burschenschaften und extrem rechten Gruppierungen und Organisationen dar. Zumindest zeitweise fand die Gesellschaft selbst im offen neonazistischen Lager Beachtung. So wurden SWG-Veranstaltungen u.a. von Mitgliedern des „Bündnis rechts“ besucht, auf deren Homepage die Veranstaltungen auch beworben wurden.

Nichts gewußt?

Zurück zu Stephan Ehmke. Seine Erklärung, dass er zu wenig Informationen über Datschischew gehabt habe, kann getrost als wenig plausibel zurückgewiesen werden. Ausschlaggebend für dessen Ausladung war allein politischer Druck. Bei seinen politischen Stellungnahmen handelt es sich nicht um einzelne Ausfälle, sondern um Positionierungen aus einer klassisch rechtskonservativen Weltanschauung heraus, die keine Abgrenzung nach rechts findet. Eben deshalb ist Ehmke als Nachfolger des Vielschreibers und ausgewiesenen Geschichtsrevisionisten Hans Joachim von Leesen aus Mönkeberg nicht nur Regionalleiter der SWG, sondern auch Vorsitzender des Bismarckbundes, einer weiteren Brückenorganisation zur extremen Rechten. Aus verschiedenen Vorträgen und Beiträgen, die im Internet veröffentlicht sind, ragt vor allem der Beitrag „Gedanken zur Geschichte und Zukunft Europas“ (März 20007, veröffentlicht auf der Homepage der SWG) hervor, da dieser auch inhaltliche Schnittmengen zur extremen Rechten aufweist.
In einem Rundumschlag gegen die europäische Integration definiert er Europa als kulturelle Einheit, die sich besonders durch seine Vielfalt der Völker und Nationen mit ihren eigenen Sprachen, Traditionen und Werten, Sitten und Gebräuchen auszeichne, deren Bewahrung, „einschließlich des Schutzes völkischer Minderheiten“, einer der Schwerpunkte europäischer Politik sein müsse. Dazu gehöre es, die „kulturelle Identität Europas gegen eine Überfremdung aus Asien und Afrika zu schützen.“ Deshalb sei das individuelle Recht auf Asyl durch ein institutionelles zu ersetzen, wobei die letzte Entscheidungshoheit bei den entsprechenden Behörden des jeweiligen Landes liegen müsse.

Die Bemühungen um eine europäische Verfassung (bzw. jetzt Grundlagenvertrag) kritisierte er von rechts und verwies, darauf, dass Europa ein Staatenbund sei und bleiben müsse, der sich aus verschiedenen Nationalstaaten zusammensetze: „Die Entwicklung des modernen Nationalstaates hat auf europäischem Boden stattgefunden. Dieser Auffassung liegt die Erkenntnis zugrunde, daß der Mensch von Natur aus als soziales Lebewesen auf überschaubare Strukturen angewiesen ist, in denen er verwurzelt ist und in denen er sich sicher und geborgen fühlt. So ist und bleiben Ehe und Familie die Grundbeziehungsgemeinschaften des Menschen, innerhalb derer alle wichtigen Lebensumstände geregelt werden. Der Familie entspricht auf der nächsten Ebene die Stammes- bzw. Volksgemeinschaft, dessen Mitglieder durch Abstammung, Sprache, Traditionen und ein gemeinsames historisches Schicksal verbunden sind. Diesen beiden Einheiten entsprechen unter Hinzutreten des geographischen und politischen Aspektes die Heimat und das Vaterland. Alles zusammen umfaßt der Begriff der Nation, die ihre Zusammengehörigkeit aus Abstammung, Sprache, Geschichte, Territorium und gemeinsamer politischer Ordnung - dem Staat - begründet.“

Keine „Ausrutscher“

Vor diesem Hintergrund fordert Ehmke eine eigenständige Militär- und Sicherheitspolitik (nachdem die Bundeswehr durch die zivile „Innere Führung“ handlungsunfähig gemacht worden sei, sei sie nun die „Legionärstruppe der Amerikaner“), um zum Schluss in bekannter Manier gegen die angebliche Demütigung Deutschlands zu Felde zu ziehen. Damit Deutschland im Konzert der gleichberechtigten Nationalstaaten Europas endlich seinen angemessenen Platz einnehmen könne, gelte es unabdingbar; „die letzten Relikte der Niederlage im Zweiten Weltkrieg zu beseitigen. Die demütigende „Feindstaatenklausel“, die auf der Ebene der Vereinten Nationen noch immer rechtliche Gültigkeit hat und Deutschland in diskriminierender Weise mit willkürlichen Zwangsmaßnahmen der ehemaligen Siegermächte bedroht, ist unverzüglich zu tilgen. (...). Die alten deutschen Tugenden des Fleißes, der Disziplin, der Bescheidenheit, der Sparsamkeit und der Ordnungsliebe müssen auch und gerade in den jüngeren Generationen wieder ihren Wert erhalten und in praktische Tat umgesetzt werden. Dazu gehört zweifellos auch das Recht, auf das eigene Vaterland, das eigene Volk, seine Geschichte und Tradition stolz sein zu dürfen. Wozu würde sich sonst die harte Arbeit lohnen? Nur um des materiellen Lohnes willen? So kann der Mensch nicht leben. Er braucht höhere Ideale und geistige Ziele. Der Ausbruch der Deutschen aus der Geiselhaft nationaler Demütigung und Selbstgeißelung wird ein wesentlicher Teil der Gestaltung unserer Zukunft in einem freien und selbstbewußten Europa sein.“

Derartige Stellungnahmen können nicht als einmalige Ausrutscher abgetan werden, sondern spiegeln eine Grundhaltung wieder, die aber offensichtlich ausreichen, um christdemokratischer Mandatsträger zu sein und diese sogar in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Sein offensichtlicher Spleen zur Monarchie kann eher vernachlässigt werden, wobei es einen gewissen Unterhaltungswert hat, dass sich gerade die Mitglieder der Kaisertreuen Jugend und des Bundes treuer Monarchisten von einer von Ehmke mitorganisierten Veranstaltung in der Hermann-Ehlers-Akademie im Juni 2007 begeistert zeigten.

Klappe zu, Affe tot. Außer der Veranstaltungsabsage sind bisher keine weiteren Konsequenzen bekannt und es ist auch nicht zu erwarten, dass sich vor der Kommunalwahl Entscheidendes tut. Dann wird es aber interessant. Noch regiert schwarz-grün mit einer komfortablen Mehrheit, was sich aber am 25. Mai mit Sicherheit ändern wird.
 

(Gerd Isländer)