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Dänemarks Rot-Grüne Einheitsliste:

Mehr linkes Profil zeigen

Vom 19.-21. April zog in Dänemark die revolutionär-sozialistische Einheitsliste (EL) auf einem Parteitag Bilanz des letzten Jahres. Breiten Raum nahm die Debatte über das Verhältnis von Sozialismus und Religion ein. Dies war nötig geworden, insbesondere da mit Asmaa Abdol-Hamid bei den letzten Parlamentswahlen von der EL eine gläubige Muslima aufgestellt wurde. Dies führte dazu, dass in der (linken) Öffentlichkeit und in den Medien so gut wie gar nicht über die Politik der EL gesprochen wurde, sondern vor allem darüber, ob eine sozialistische Partei, die aus einer atheistischen Tradition stammt, eine Muslima aufstellen kann, die ein Kopftuch trägt und sich aus religiösen Gründen weigert, Männern die Hand zu geben. Dies wurde monatelang rauf und runter diskutiert, und insbesondere die dänische Rechte in Gestalt der Dänischen Volkspartei (DF) und ihres Hofpredigers Sören Krarup, der sich erdreistete, das Kopftuch mit dem faschistischen Hakenkreuz zu vergleichen, gossen kräftig Öl ins Feuer. Auch Asmaas Haltung zu Homosexualität und der Todesstrafe (welche sie aber im Nachhinein präzisierte) und ihre klare Unter-
stützung des irakischen Widerstandes sorgten für Tumult und schlechte Umfragewerte.

Der Parteivorstand beschloss deshalb mehrheitlich, einen neuen Parteitag einzuberufen, der die Kandidatenliste neu diskutieren sollte. Wegen vorgezogener Neuwahlen im November kam er jedoch nicht mehr zustande. Ein Antrag, der dem Parteivorstand ein Einknicken vor dem öffentlichen Druck und eine „Missachtung der Basisdemokratie“ vorwarf, fand jedoch keine Mehrheit. Stattdessen wurde beschlossen, dass die EL eine „anti-religiöse Partei sei, die jedoch Platz für religiöse Menschen, die sich als Sozialisten verstehen“ biete. Asmaa selbst zeigte sich nach der Abstimmung zufrieden. Sie gab der Hoffnung Ausdruck, dass die gesamte Partei aus dieser  Ausein- andersetzung gelernt habe und sich nun wesentlich stärker gegen die rassistische Hetze engagiert. Interessant bleibt in diesem  Zu- sammenhang, dass das Präsidium des dänischen Parlaments das Tragen von Kopftüchern in eben diesem erlaubt hat. Es ist gut möglich, dass Asmaa, die zwar kein Mandat erhalten hat, aber als Stellvertreterin für eine Abgeordnete gewählt wurde, als erste muslimische Frau mit Kopftuch im dänischen Parlament eine Rede hält und die „christlichen Fundamentalisten“ der DF in Rage bringt.

Thema des Parteitags war auch, wiet man sich deutlicher als sozialistische Alternative nicht nur zur Rechten, sondern auch gegenüber der links-grünen Sozialistischen Volkspartei (SF) zeigen kann. Jene hat zwar mit dem Setzen auf linke Themen wie dem Ausbau des Wohlfahrtsstaates, der Ablehnung des Irakkrieges etc. einen fulminanten Wahlsieg und einen noch nie gekannten Mitgliederzuwachs (über 12.000) davongetragen; dies hat jedoch eher mit der Schwäche der Sozialdemokratie (von der sie Mitglieder und Wähler gewinnt) und mit dem Charisma ihres Vorsitzenden Villy Søvndahl zu tun, als mit einem klaren sozialistischen Profil. Im Gegenteil: Um ihrem Ziel, einer Mitte-Links-Regierung mit Sozialdemokraten und Linksliberalen näher zu kommen, hat SF einen Rechtskurs in den Fragen EU, Steuerpolitik und besonders der Integrations- und Ausländerpolitik eingeschlagen. Vor dem Hintergrund des „zweiten  Karikaturen- streits“ und den Aufständen junger Migranten in  dänischen Städten hatte Søvndahl geäußert, die islamischen Fundamentalisten von Hizb-ut-Tahrir sollten „zur Hölle fahren“. Im Übrigen sei die Linke gegenüber Ausländern jahrzehntelang viel zu weich gewesen. Damit müsse jetzt Schluss sein. Auch Søvndahls Aussage, Sozialismus heiße für ihn nicht die Abschaffung des Privateigentums, stand im Zentrum der Kritik der EL: Deshalb müsse klargemacht werden, dass die EL die einzige Partei sei, die einen Bruch mit kapitalistischen Macht- und Eigentumsverhältnissen anstrebe. man müsse sichtbarer im Alltag der einfachen Menschen werden. Konkret heißt dies die Einrichtung einer „Wohlfühlkommission“ durch das Parlament, welche kostenlose Beratung durch Psychologen und  Anti-Stress- Programme für alle, die dies brauchen, beschließe. Angesichts der großen Zahl von Menschen, die unter Depressionen und Stress am Arbeitsplatz leiden und damit die Kehrseite des dänischen „Jobwunders“ darstellen, eine wichtige Forderung.

(Stefan Godau)