Nächste Seite
Eröffnung mit Merkel:

Keine Meinungsfreiheit in der Kieler Woche

Trotz der gezielten Sabotage durch die Gedankenpolizei ist die Protestaktion von AktivistInnen aus der Friedensbewegung bei der Eröffnung der Kieler Woche 2008 auf dem Rathausplatz mit feierlicher Ansprache von Frau Dr. Merkel wenigstens ein kleiner Erfolg gewesen.

Bereits wenige Minuten nach Erscheinen auf dem Rathausplatz – zu dem Zeitpunkt waren wir noch zu zweit – wurde ich bereits von einem Polizisten abgefangen. Meine Personalien wurden aufgenommen und meine Tasche durchsucht. Ein Transparent mit Aufschrift „Willkommen im Reichskriegshafen“ wurde beschlagnahmt; ein Transparent mit einer Friedenstaube, eine Flagge mit einem  zerbrochenen Gewehr und Aufschrift „Bundeswehr abschaffen!“, eine PACE-Flagge mit Stock und einen nackten Stock sowie mein T-Shirt „Es gibt keinen gerechten Krieg – Bundeswehr abschaffen!“ durfte ich behalten. Begründet wurde die Beschlagnahme mit einer „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“. Aus den „zwei Minuten“ waren zehn geworden.

Als wir vollzählig versammelt waren, waren wir bereits von der Polizei umringt. Wir fragten nach, ob wir ein Transparent „Kein Export deutscher Waffen!“ oder „Für ein solidarisches Europa …“ hochhalten dürfen. Das erste wurde sofort, das zweite nach einem Gespräch über Funk mit einem Kollegen abgelehnt. Begründung: Es handele sich bei der Kieler-Woche-Eröffnung um eine „unpolitische Veranstaltung“, daher seien politische Meinungsäußerungen nicht erlaubt.

Nun sollte ich meine PACE-Flagge ausrollen und vorzeigen. Die Reaktion darauf war ein plumpes „Ja“. Das bedeutete eine Erlaubnis zur Verwendung. Auf meine mehrmals wiederholte Frage, ob die PACE-Flagge politisch sei, bekam ich leider keine Antwort. Als wir kurz vor Merkels Auftritt die „Bundeswehr ab-
schaffen!“-Flagge herausholten, wollte der Polizist sie zuerst auch konfiszieren; nachdem ich ihn auf die vorangegangene Zensuraktion mit dem Okay für die Flaggen und Transparente außer dem „Reichskriegs-
hafen“-Transparent hinwies und einer Rücksprache mit seinem Kollegen behielten wir die Erlaubnis. Schließlich hatten wir lediglich diese beiden Flaggen, die die Zensur passiert hatten und die wir schwenken konnten. Ein Aktivist sagte, um die Meinungsfreiheit ist es in der „BRD“ genauso bestellt, wie er es früher in der „DDR“ erleben musste. Er erhielt einen Platzverweis.

Als ich später am Abend das „Reichskriegshafen“-Transparent wieder bei der Polizei abholte, fragte ich fünfmal nach, warum dieses denn eine „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ darstelle. Ich bekam vier Antworten nach dem Schema „Das ist halt so“ und eine Antwort, die Leute im Publikum könnten sich darüber aufregen. Dann wandte eine Kollegin ein, der Polizeiführer (der Stadt Kiel) habe angeordnet, dass auf dieser Veranstaltung keine politischen Meinungsäußerungen erlaubt seien.

Es ist erschreckend, wie viel mehr Achtung die Uniformierten ihrem Vorgesetzten gegenüber haben als vor dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Und ich frage mich, warum nicht Frau Dr. Merkel ebenfalls beschlagnahmt wurde. Man könnte sie nämlich mit dem gleichen Argument als „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ einstufen: Wir regen uns über sie auf!

Immerhin waren wir mit unseren beiden Flaggen im NDR Schleswig-Holstein-Magazin zu sehen und erhielten ein Lob „Fand ich gut“ von einer Passantin. Dieses Lob hat mir den Tag gerettet. Und dass wir von der Denkpol dermaßen ernst genommen werden, zeigt, dass wir mit unseren Protesten gegen Krieg und Militarismus tatsächlich etwas bewegen können.

(cm)